
Dieser Wahlkampf wird unter anderem wegen der immer wichtiger werdenden Rolle von Social Media in Erinnerung bleiben: Die SVP lancierte mehrere Musikvideos auf Youtube, die FDP versuchte sich auf Vine und Instagram und Aline Trede, Kandidatin der Berner Grünen, testete die Dating-App Tinder.
Auch wenn die Wirkung von Social Media vermutlich überschätzt wird, Tatsache ist, dass kaum ein Politiker mehr ganz um die sozialen Medien herumkommt. Wie aktiv waren die Parteien tatsächlich in diesen Wahlen?[1] Und wie erfolgreich? Dazu analysierten wir Daten der zentralen Parteiaccounts auf Facebook und Twitter seit dem April 2015.[3] Während die Linken tatsächlich die Twitter-Könige sind, wird Facebook von der SVP regiert.[4]
Die ersten beiden Abbildungen zeigen die Entwicklung der Facebook Likes und Twitter Follower in den letzten 27 Wochen. Die Grafiken machen klar, dass die Popularität der Parteien auf beiden Social-Media-Kanälen relativ schwach aber konstant zunimmt. Auf Facebook legte die SVP am deutlichsten zu, mit mehr als 3’700 neuen Likes. Im Gegensatz zu den anderen Parteien scheint es bei der SVP zudem einen zusätzlichen Kampagneneffekt in den letzten Wochen vor den Wahlen gegeben zu haben.

Dies ist wohl auf ihr Wahlkampfvideo «Welcome to SVP» und dessen erfolgreiche Verbreitung über Facebook zurückzuführen. Der «Knick» nach oben fällt nämlich genau in Woche 36, als die SVP die ersten «Teaser» für den Videoclip auf ihrer Facebook Page postete. Ihre Strategie, deren Ziel vermutlich vordergründig die Ansprache und Mobilisierung junger potenzieller Wähler war, scheint also aufgegangen zu sein – zumindest auf Facebook. Auch die CVP verzeichnete einen abrupten Anstieg an Facebook Likes in den letzten vier Wochen. Hier ist die Ursache weniger klar. Möglicherweise machte die Partei stärker Gebrauch von Facebook Ads (siehe Bild) als zuvor. Bei den anderen Parteien scheint es ebenfalls einen leichten Wahlkampfeffekt gegeben zu haben, wenn auch viel weniger ausgeprägt.
Auf Twitter ist mit Abstand die SP am populärsten. Sie gewann seit dem April fast 6’000 neue Follower. Aber auch die Grünliberale Partei beeindruckt mit einer grossen Twitter-Gefolgschaft und einem Plus von über 3’000 Followern. Allen übrigen Parteien folgen weniger als halb so viele Twitter-Nutzer. Im Gegensatz zu Facebook sind auf Twitter kaum Wahlkampfeffekte ersichtlich.
Wie steht es um die Aktivität
Die Parteien sind nicht nur unterschiedlich beliebt auf Facebook und Twitter, sie unterscheiden sich auch in ihrer Aktivität. Die folgende interaktive Grafik zeigt die Anzahl Facebook-Posts bzw. Tweets, die von den jeweiligen Partei-Accounts pro Woche abgesetzt wurden. Insgesamt ist ein «Sommerloch» und danach eine leicht verstärkte Aktivität im Hinblick auf die Wahlen erkennbar. Die Parteien setzten die sozialen Medien also aktiv ein als Wahlkampfmittel. Besonders sticht die Grüne Partei hervor, die ihre Aktivität in den letzten Wochen nochmals ganz klar intensiviert hat. Ihre hohe Anzahl Posts hat allerdings auch damit zu tun, dass sie ziemlich konsequent alles sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch posten – dies ist bei Weitem nicht bei allen Parteien der Fall (Mobile Grafik).
Auf Facebook wird neben der Anzahl Likes auch eine Zahl angegeben für «People talking about this.»[5] Damit wird gemessen, wie viele Menschen mit einer Facebook-Seite interagieren und eine «Story» kreieren, z.B. indem sie einen Post «liken», teilen oder kommentieren. Die untenstehende Grafik vergleicht die Interaktivität (durchschnittliche Anzahl «People talking about this» pro Woche) mit der Aktivität (durchschnittliche Anzahl Posts pro Woche). Die Grösse der Punkte entspricht der Anzahl Likes einer Page. Die Streuung der Parteien deutet darauf hin, dass es einen positiven Zusammenhang gibt: Je aktiver eine Partei, umso mehr Reaktionen bekommt sie von ihren Anhängern.
Rechtspopulisten im Vorteil?
Allerdings sind nicht alle Parteien gleich effizient. Mit Abstand am meisten Reaktionen auf ihre Page und Posts erhält die SVP – und dies mit einer eher durchschnittlichen Aktivität. Das hat natürlich einerseits mit ihrer grossen Anzahl Page-Likes zu tun: Je mehr Likes, umso mehr Leute sehen einen Post, umso grösser ist die Chance auf eine höhere Anzahl Reaktionen. Andererseits zeigen wissenschaftliche Studien, dass rechts-populistische Parteien auch in anderen Ländern eine überdurchschnittlich grosse Anhängerschaft auf Social Media haben und diese zudem aussergewöhnlich aktiv ist.[6] Dies erklärt auch, warum die Lega als sehr kleine Partei vergleichsweise sehr viele Facebook-Likes hat und ebenfalls relativ effizient ist. So erzielt sie mit durchschnittlich weniger als zwei Posts pro Woche ähnlich viele Reaktionen wie die FDP mit ungefähr fünf Beiträgen pro Woche. Auch die SP ist mit ihren Posts ziemlich erfolgreich. Die Grünen und die CVP hingegen werden für ihre überdurchschnittlich hohe Aktivität nicht belohnt.
Für Twitter gibt es keine direkt vergleichbare Kennzahl wit «talking about».[7] Aber es scheint auch hier einen Zusammenhang zwischen Aktivität und Popularität zu geben: Parteien, die häufiger tweeten, haben auch mehr Follower (oder umgekehrt…). Hier hat jedoch eindeutig die SP die Nase vorn, gefolgt von der GLP. FDP, Grüne und CVP sind zwar aktiver, gewinnen damit aber viel weniger Follower.

Schliesslich sind klare Unterschiede zwischen Facebook und Twitter zu erkennen: Der Erfolg der Parteien unterscheidet sich stark je nach Plattform. Die letzte Grafik vergleicht die Anzahl Facebook-Likes mit der Anzahl Twitter-Follower. Die Grösse der Punkte widerspiegelt die Wahlanteile der Parteien 2011. Während auf Twitter – wie auch das SRF zum Schluss kam – die linken Parteien im Vorteil sind, geben auf Facebook eher die Rechten den Ton an – allen voran die SVP. Dies hat wahrscheinlich mit den unterschiedlichen Nutzerstrukturen der beiden Plattformen zu tun. Der durchschnittliche Twitter-Nutzer ist jünger, höher gebildet und hat einen höheren sozio-ökonomischen Status als die Durchschnittsbevölkerung.[8] Die wohl wichtigste Ansprechgruppe für Schweizer Politiker auf Twitter sind ausserdem Journalisten und weniger (potenzielle) Wähler.[9] Facebook hingegen ist in der allgemeinen Bevölkerung beliebter und hat eine viel breitere Nutzerbasis.[10]

Im Vergleich zu den letzten Wahlen 2011 hat die Bedeutung der Social Media eindeutig zugenommen. Die Facebook Likes der Parteiaccounts haben sich in den letzten vier Jahren bei den meisten Parteien vervierfacht. Die Twitter-Followers sind teilweise sogar um das Zehnfache angestiegen. Ausserdem haben die bürgerlichen Parteien stark aufgeholt. Während die SP bei den letzten Wahlen noch sowohl Twitter als auch Facebook dominierte, wurde sie auf letzterem mittlerweile klar von der SVP überholt. Insgesamt haben sich die Zahlen der Wählerstärke der Parteien angenähert. Die sozialen Medien, die zu Beginn noch speziell als Chance für kleine Parteien angesehen wurden, widerspiegeln heute mehrheitlich die bestehenden Machtverhältnisse – auch wenn es deutliche Unterschiede zwischen Facebook und Twitter gibt. Twitter ist dabei nach wie vor eher das Medium der Linken und der politischen «Underdogs».
[1] Foto: Dean Meyers|Flickr.
[2] Social Media wird überschätzt, meint dieser Artikel.
[3] Die Daten stammen aus einen Forschungsprojekt unter der Leitung von Dr. Ulrike Klinger am IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Universität Zürich.
[4] Zu den Twitter-Königen geht es hier.
[5] People talking about this, here.
[5] vgl. z.B. Bartlett, Jamie, Jonathan Birdwell, and Mark Littler. The New Face of Digital Populism. London: Demos, 2011.
[6] Larsson, Anders Olof. “Going Viral? Comparing Parties on Social Media during the 2014 Swedish Election.” Convergence: The International Journal of Research into New Media Technologies, no. Published online before print. (April 2, 2015): 1–16.
[7] Die Anzahl Retweets/Favorites pro Tweet wurden leider nicht erhoben.
[8] Duggan, Maeve, Nicole B. Ellison, Cliff Lampe, Amanda Lenhart, and Mary Madden. “Demographics of Key Social Networking Platforms.” Pew Research Center: Internet, Science & Tech, 2015. Link.
[9] Rauchfleisch, Adrian, Metag, Julia. «Sag es kurz und prägnant. Twitter als kommunikativer Marktplatz für Volksvertreter und Journalisten.» NZZ Webpaper 2015. Link.
[10] Klinger, Ulrike. “Mastering the Art of Social Media.” Information, Communication & Society 16, no. 5 (June 1, 2013): 717–36.