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Werkstattbericht zu #Nobillag – epischer Abstimmungskampf auf Twitter

Die NoBillag-Initiative fordert die Abschaffung aller Radio- und TV-Gebühren. Der Abstimmungskampf rund um die Initiative wird intensiv geführt – auch auf Social Media – und das schon relativ lange. Wir sammeln seit dem Aufkeimen des Abstimmungskampfes Twitter-Daten und zeigen, wer am aktivsten ist, welches politische Lager sich besonders engagiert und welche Journalisten am meisten zwitschern. Mittels Machine Learning haben wir die Tweets klassifiziert um herauszufinden, ob Gegner oder Befürworter die Nase vorne haben.

[Korrigendum: In der ersten Version dieses Artikels haben wir die Beschriftung Pro/Kontra in der Grafik der beiden Lager über die Zeit verwechselt. Dies ist nun angepasst (6.2.18).]

Es scheint, als wäre «No Billag» omnipräsent. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in irgendeinem Medium von der kommenden Abstimmung berichtet wird. Aus diesem Grund haben wir uns die Tweets zum #nobillag angeschaut. Wir sammeln die Daten bereits seit dem Frühjahr 2015, jedoch besteht die Datengrundlage für diesen Bericht lediglich aus Tweets, welche nach dem 31. August 2017 gemacht wurden. Konkret: Seit dem 1. September 2017 (und damit 184 Tage vor der Abstimmung) wurden über 60’000 Tweets verschickt – das ist rekordverdächtig. Damit diese Zahl etwas in Relation gebracht werden kann der Vergleich: In den letzten acht Tagen vor der Bundesratswahl 2015 wurden 2310 Tweets verschickt und zum #abst17 wurde im ganzen Jahr (2017) weniger als 20’000 Tweets verschickt.

Die Arena: Lagerfeuer mit Ausstrahlung bis in die Social Media

Das rege Interesse spiegelt sich auch in den folgenden Zeitverläufen wider: Sind im Oktober noch durchschnittlich 217 Tweets pro Tag verschickt worden, so sind es im Januar bereits knapp 610 Tweets pro Tag. Einen vorläufigen Höhepunkt wurde in der Woche 44 im November 2017 erzielt: Damals fand die Arena zur Abstimmung statt. Vor dem lodernden «Lagerfeuer Fernsehen» haben sich während dieser Arena – zumindest für eine Stunde – Gegner und Befürworter versammelt, um dem Abstimmungskampf auf Twitter seinen bisher hitzigsten Höhepunkt zu schenken. Die Arena, ein Format aus der Ära des Röhrenfernsehgeräts, hat an dem Abend ein veritables Feuer der Deliberation im digitalen Raum entfacht.

Die aktivsten

Politische Lager

Wir haben uns auch angeschaut welche Bundesparlamentarierinnen und Parlamentarier sich auf Twitter äussern. Jene aus der SP sind am fleissigsten, dann folgen die von der SVP, welche wiederum vor der Grünen Partei sind. Es ist jedoch zu vermerken, dass die Volks- und Kantonsvertreter deutlich seltener als Medienschaffende tweeten (~700 Tweets).

Welche Journalisten besonders aktiv zwitscherten

Dank Dario Siegen und Adrian Rauchfleisch konnten wir zusätzlich untersuchen, welche Medienschaffenden sich zur Intiative mit diesem Hashtag äusserten.[1] Wie Sie der Rangliste entnehmen können, kann man sich streiten, wer als Medienschaffend gilt und wer nicht. Zum Beispiel stellt sich die berechtigte Frage, ob die Bezeichnung «Freischaffend» bereits zum Label «Journalist» reicht. Es zeigt aber auch, wie schwierig eine solche Klassifizierung ist. So oder so finden Sie untenstehend die Top 20 der Medienschaffenden.

Twitter-HandleProzent der Tweets
GregBarbey3.41%
FlorianSchwab3.34%
peter_schibli2.45%
AndreaChristen32.38%
sandroluescher2.14%
XavierBloch2.05%
AntonioCivile1.86%
juergvollmer1.81%
DennisBuehler1.72%
redder661.25%
miperrico1.20%
retoperitz1.20%
MichelVenetz1.15%
feusl1.13%
BornBeatrice1.03%
RaphAuberT1.03%
Frau_W0.96%
ZeitRauber0.94%
ChantalTauxe0.85%
RenatKuenzi0.82%
Welches Lager hat auf Twitter die Nase vorne?

Waren die Befürworter oder die Gegner auf Twitter aktiver? Dieser Blogpost stellt insofern eine Premiere dar, als dass wir mittels innotativer Werkzeuge versucht haben, Antworten auf diese Frage zu liefern. Tweets zu klassifizieren ist gegeben ihrer Kürze – meist unter 140 bis maximal 280 Zeichen – kein Kinderspiel. Insbesondere wenn für die Einordnung nur der Text selbst und keine zusätzlichen Kontextinformationen oder Angaben zu den Twitterern verwendet werden. Mit einem reduzierten Datensatz deutschsprachiger Tweets, in welchem wir vermeintliche Kontra- und Pro Tweets anhand gewisser Indizien (u.a. den Hashtags #NeinzuNobillag vs #JazuNobillag) kennzeichnen konnten, haben wir einen Machine Learning Algorithmus trainiert. Genaueres zum Verfahren, seinen Stärken und Schwächen gibt es im Abschnitt zur Methodik, weiter unten, zu lesen. Die Klassifizierung soll aufzeigen wie aktiv die beiden Lager über die Zeit waren.

Die Resultate des Modells weisen auf eine Aufholjagd der Initiativgegner hin. Gemessen an der Aktivität – also der Anzahl Tweets – haben die Initativbefürworter beim Hashtag #NoBillag die Nase vorne. Die Reichweite haben wir aus Zeitgründen (vorerst) ausgeklammert. Die Initiativbefürworter haben den Abstimmungskampf auf Twitter früh lanciert und scheinen zu Beginn noch auf wenig Gegenwehr gestossen zu sein. Die Präsenz der Befürworter nimmt jedoch laufend zu und es ist klar zu erkennen, zu welchem Zeitpunkt die Gegenkampagne an Fahrt aufgenommen hat. Der Anteil der befürwortend eingestuften Tweets steigt mit annäherndem Abstimmungstermin stark an. Im ursprünglichen Post wurden die Labels aus Versehen vertauscht, wofür wir uns entschuldigen möchten. Wir haben uns zu stark auf eine möglichst akkurate Klassifizierung der User konzentriert und haben die Abbildung des Zeitverlaufes aufgrund der knappen Zeit nicht genügend hinterfragt.

Wie akkurat ist unser Machine Learning Modell?

Unser Machine-Learning Modell klassifiziert die einzelnen Tweets anhand der Muster, die es im Text aufstöbert. Es bestimmt auf diese Weise, ob der Tweet eher dem Pro- oder Kontra NoBillag-Lager zuzuordnen ist. Die Grafik unten zeigt, wie die Tweets der Top-Twitterer klassifiziert wurden und zu welchen Anteilen Sie als Pro / Kontra klassifiziert wurden. Diejenigen mit einem Anteil über 50% an Kontra-Tweets befinden sich links, die mit mehr als 50% Pro-Tweets rechts. Die Grafik offenbart, dass wir anhand unseres Modells – welches nach wie vor ein Protoyp ist – von den 100 fleissigsten Twitternutzern die meisten richtig einordnen würden. Das Modell ordnet die Tweets der Initiativbefürworter etwas kosnistenter ein. Bei den Initiativgegnern wird eine höhere Zahl Tweets dem entgegengesetzten Lager zugeordnet. Daher gehen wir davon aus, dass die Kontra-Seite vom Algorithmus unterschätzt wird und die Anteile der zwei Lager daher weniger weit auseinander liegen, als die Grafik zu den Anteilen im Zeitverlauf oben suggeriert. In dieser Hinsicht besteht somit Optimierungspotential, welches wir bei nächster Gelegenheit durch ein feiner austariertes Modell auszuschöpfen gedenken.

Eine Schwäche unseres Modells ergibt sich daraus, dass wir das Modell zwingen eine binäre Entscheidung zu treffen. Dies führt dazu, dass die Tweets aller Nutzer einem der zwei Lager zugeordnet werden. Diese schwarz-weiss Einteilung wird der Realität nicht gerecht. Es gibt in der Debatte um NoBillag auf Twitter durchaus auch Stimmen mit differenzierten Ansichten, oder solche die lediglich Informationen teilen und als neutral eingestuft werden sollten. Diese Fälle lassen sich eigentlich nicht in eine der zwei Schubladen stecken. Eine dritte Kategorie für die nicht einwandfrei klassifizierbaren Fälle würde hier Abhilfe schaffen. Abschliessend gilt es jedoch zu sagen, dass die grosse Mehrheit in der stark polarisierten Debatte auf Twitter die eigene Position relativ deutlich preis gibt und das Modell – alles in allem – ziemlich gute Arbeit leistet.

NoBillag : droht die trumpisierung der schweizer Abstimmungsdemokratie?

Hitzige Abstimmungskämpfe sind per se nichts neues. Doch NoBillag setzt in punkto Intensität und Gehässigkeit gerade neue Massstäbe. Auf Twitter, dem digitalen Hauptschauplatz der politischen Auseinandersetzung, fliegen die Fetzen besonders häufig. Für einmal sind es nicht nur Trumps Tweets, welche die Schlagzeilen füllen, sondern auch Tweets im Zusammenhang mit NoBillag, die vermehrt als Vehikel für Beleidigungen und Ausfälligkeiten dienen. Ist NoBillag in dieser Hinsicht ein Sonderfall? Oder müssen wir im Rahmen der immer stärkeren Verlagerung des politischen Schlagabtausches in die digitale Arena mit aggressiver geführten Abstimmungskämpfen – quasi einer Trumpisierung unserer Abstimmungsdemokratie – rechnen? Die Antwort darauf steht (noch) in den Sternen geschrieben, doch werden wir auch in Zukunft weiterhin systematisch Twitter-Daten sammeln um Fragen dieser Natur nachgehen zu können.

Thomas Lo Russo und Thomas Willi

[1] Hier finden Sie Dario Siegen und hier Adrian Rauchfleisch.

Weitere Infos zum Modell

Die erste Bewährungsprobe für viele Machine Learning Modelle ist die Vorhersagepräzision, welche in einem Testdatensatz erreicht wird. Unser Modell erreichte eine Vorhersagepräzision von über 90%, was gegeben dem Umstand dass das Model über kein Kontextwissen verfügt – bescheiden ausgedrückt – ziemlich beeindruckend ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Generalisierbarkeit des Modells auf alle Tweets einwandfrei möglich und die Klassifzierung aller Tweets perfekt ist. Unser ‘Desicion-Tree’ Modell haben wir mit 9500 Tweets trainiert und anhand von 2300 Tweets getestet. Im Anschluss haben wir das Modell verwendet um die 30’000 deutschsprachigen Tweets zu klassifizieren, welche seit September 2017 abgesetzt wurden. Wie bereits weiter oben erwähnt scheint das Modell den Anteil an Kontra-NoBillag-Tweets zu unterschätzen, wie die Tweet-Anteile der Top-Twitterer verdeutlichen (siehe Grafik zu User-Anteilen).

Korrigendum

Wir haben das Script und die Daten für die zu Beginn erwähnte Grafik hier hochgeladen.

 

 

 

Social Media und Schweizer Politik im September 2016

Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen? Für den Monat September hat Bruno Wüest das Netzwerk Schweizer Politiker unter die Lupe genommen.

Die zentralsten Nutzer von Twitter

Welche Schweizer Politiker sind besonders zentral? Bruno Wüest hat sich dieser Frage angenommen und die Schweizer Politiker auf Twitter untersucht.[2,3] Daraus ist die untenstehende interaktive Grafik entstanden. Erstens fällt auf, dass es sehr wenige Akteure mit einer hohen Zentralität gibt. Der grösste Teil der politischen Twitter-Nutzer folgt nur sehr wenigen Accounts und hat selbst wenige Follower. Zudem lässt sich die Wichtigkeit eines Akteurs nicht immer mit der Gesamtzahl Follower feststellen, wie das Beispiel von Arnaud Bonvin zeigt. Mit relativ wenig Followern ist er trotzdem für das Twitter-Netzwerk der Schweizer Parteien sehr zentral. Interessant ist zudem, dass unter den am besten vernetzten PolitikerInnen überaus häufig FDP-Accounts sind (Chrisitian Wasserfallen, Claudine Esseiva, Arnaud Bonvin, Christa Markwalder und der nationale FDP-Account FDP.DieLiberalen). Die FDP versteht es offensichtlich am besten, sich auf Twitter zu vernetzen. Andere Accounts wie derjenige von Cédric Wermuth und Nathalie Nickli, welche in früheren Analysen noch obenaus geschwungen sind, haben deutlich an Wichtigkeit verloren.[4]

Entwicklungen im Vergleich zum Vormonat

Wenn die Entwicklung der «Follower» an der Zahl zu Beginn des Monates gemessen wird, dann bilden wieder die glp und die SP die Schlusslichter.[5] Die Septemberabstimmungen scheinen keine nennenswerte Entwicklung verursacht zu haben. Die EVP, die CVP, die EVP und die FDP sind ähnlich stark gewachsen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.

Die Grünen und die BDP legen prozentual am meisten zu, was im Falle von ersteren mit der Initiative «Grüne Wirtschaft» zusammenhängen dürfte. Interessant wird im Zusammenhang mit der Grünen Partei sein, ob sich der Abstimmungskampf im Vorfeld der Atomausstiegsinitiative (27. November 2016) in der Entwicklung der Followerzahlen niederschlägt.

Facebook

Auf Facebook sieht die Lage anders aus. Gemessen an der Anzahl «Likes» zu Beginn des Monates haben die BDP, die glp, die CVP und die Grünen am wenigsten zugelegt. Das Wachstum der SP ist wieder auf ein normales Niveau gefallen, während die SVP prozentual am stärksten gewachsen ist und sich damit wieder stärker von der SP abzusetzen vermag.

Thomas Willi und Bruno Wüest

Wrap-Up: Zu Beginn jedes Monats veröffentlichen wir die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen Partei. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.

[1] Foto: Jason Howie|Flickr

[2] Die vollständige Analyse von Bruno Wüest finden Sie auf seiner Homepage.

[3] Wer ist zentral und was ist Zentralität überhaupt?  Zentralität lässt sich auf viele Arten feststellen. Die folgende Grafik stützt sich dafür auf die Eigenwert- und Betweenness-Zentralität. Twitter-Akteure mit einem hohen Eigenwert haben viele Friends und Follower, und deren Friends und Follower haben wiederum viele Friends und Follower und so weiter  und so fort – bis zum Rand des Netzwerkes. Die Betweenness-Zentralität hingegen entspricht der Anzahl kürzester Verbindungen zwischen allen Usern, die über den betrachteten Akteur führen. Ein Akteur mit einer hohen Betweenness-Zentralität verbindet viele andere Nutzer miteinander auf direktem Weg. Weil die Eigenwert-Zentralität auf die Accounts fokussiert und die Betweenness-Zentralität die Verbindungen berücksichtigt, ergänzen sich die beiden Analysen gut zu einem Gesamtbild. Zusätzlich ist die Anzahl Followers in der Grösse der Punkte dargestellt. Alle Angaben sind mit einer Aktivierung durch den Mauszeiger ersichtlich.

[4] Den Beitrag zur Schweizer Tweetokratie finden Sie hier.

[5] Die Beobachtungsperiode startet am 1.9.2016 und endet am 31.9.2016.

Social Media und Schweizer Politik im Juli und August 2016

Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen?

Twitter

Wenn die Entwicklung der «Follower» an der Zahl zu Beginn des Monates gemessen wird, dann bilden die glp und die SP die Schlusslichter.[2]  Die EVP, die CVP, die Grünen, die EVP und die FDP sind ähnlich stark gewachsen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.

Die SVP legt prozentual während dem Sommerloch am meisten zu, liegt mit weniger als 8000 Followern aber immer noch hinter der CVP.

Ob die SP und die glp ihr schwaches Wachstum nur dem Sommerloch zu verdanken war und wie sich die kommenden Volksinitiativen auf die Anzahl Follower der beiden Schlusslichter auswirken, wird sich Anfangs Oktober zeigen.

Facebook

Auf Facebook sieht die Lage anders aus. Gemessen an der Anzahl «Likes» zu Beginn des Monates haben die BDP, die glp, die CVP und die Grünen am wenigsten zugelegt. Die SP hat in den Sommermonaten Juli und August am meisten zulegen können und kommt der SVP nun immer näher. Der Unterschied liegt nun nur noch bei knapp 1500 «Likes».

Thomas Willi

Wrap-Up: Zu Beginn jedes Monats veröffentlichen wir die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen Partei. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.

[1] Foto: Jason Howie|Flickr

[2] Die Beobachtungsperiode startet am 1.7.2016 und endet am 31.8.2016.

Social Media und Schweizer Politik im Juni 2016

Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen? Wir zeigen welche Parteiexponenten welchen Accounts folgen und dass darunter auch zwei Politexperten sind.

Twitter

Wenn die Entwicklung der «Follower» an der Zahl zu Beginn des Monates gemessen wird, dann bildet die EVP das Schlusslicht. Nicht zum ersten Mal hat mit der EVP eine Partei weniger Follower am Ende des Monats als zu Beginn der Periode.[2] Die SP und die glp sind ähnlich stark gewachsen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Während sich die glp noch immer der Grenze von 20’000 Follower annähert, kommt die CVP langsam in die Gefilde von 10’000 Follower.

Bei den beiden Polparteien hat sich das Bild der Vormonate wenig verändert. Die SP legt auf hohem Niveau weiter zu – sie wächst sowohl prozentual am stärksten, als auch mit der absoluten Zunahme an Followern.

Facebook

Auf Facebook sieht die Lage anders aus. Gemessen an der Anzahl «Likes» zu Beginn des Monates haben die BDP, die CVP, die glp und die EVP am wenigsten zugelegt. Das entspricht auch dem Wachstum in den Vormonaten. Die SP und die SVP haben im Mai am meisten zulegen können. Sie werden dicht von der Grünen Partei auf Platz drei gefolgt. Die FDP ist diesen Monat wieder etwas weniger stark gewachsen und belegt den vierten Rang.

Wer folgt wem?

Wer sich bei den Parlamentariern Gehör für seine Ansichten und Anliegen verschaffen kann, kann zumindest potenziell in die öffentliche Debatte eingreifen. Die Bedeutung von Twitter hat in den letzten Jahren stark zugenommen und viele Schweizer Parlamentarier nutzen den Dienst.[3]

Durch das «followen» lassen sich Informationen direkt aus ausgewählten Quellen auf den Bildschirm holen – natürlich gilt das auch für Parlamentarier.
Bei wem lesen unsere Gesetzmacher mit? Untenstehend finden Sie die Top 30 Accounts, denen die twitternden Parlamentarier der nationalen oder kantonalen Legislative followen, aufgeteilt nach den vier Regierungsparteien (SVP, SP, FDP und CVP). Die gemeinsamen Twitteraccounts der Parlamentarier sind meist jene von Gspändli der eigenen Partei – zum Beispiel Nationalratskollegen, die Parteileitung oder andere Accounts der Partei. Die Hälfte bis drei Viertel der Top 30 sind jeweils solche parteiinterne Verbindungen.

Neben den Parteiverbindungen folgen zum Beispiel die SVP-Exponenten der Weltwoche und die Zeitung der FDP-Twitterer heisst NZZ. Aber schauen Sie selbst.

Offenbar wollen die Parlamentarier doch auch wissen, was die Exponenten der anderen Parteien gerade treiben; so wird der SP-Bundesrat Alain Berset von mindestens 30% der Mitglieder jeder der grossen Parteien gefollowed, und auch Christophe Darbellay spielt jeweils vorne mit. Besonders gefragte Twitterer sind daher Parteipräsidenten und Bundesräte. Zudem wird Christa Markwalder als Nationalratspräsidentin ebenfalls parteiübergreifend gefollowed. Auch wenn sich die Parteiexponenten grundsätzlich gegenseitig folgen, findet sich ganz oben auf den Ranglisten mit Claude Longchamp immerhin auch ein Politexperte.

Thomas Willi und Tanja Eder

Wrap-Up: Zu Beginn jedes Monats veröffentlichen wir die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen Partei. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.

 

[1] Foto: Jason Howie|Flickr

[2] Die Beobachtungsperiode startet am 1.6.2016 und endet am 30.6.2016.

[3] Diese Analyse von Tanja Eder ist in ausführlicher Form bereits hier erschienen.

Social Media und Schweizer Politik im Mai 2016

Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen?

Twitter

Wenn die Entwicklung der «Follower» an der Zahl zu Beginn des Monates gemessen wird, dann bilden die EVP und die Grünen die Schlusslichter.[2] Zum ersten Mal hat mit der EVP eine Partei weniger Follower am Ende des Monats als zu Beginn der Periode. Die BDP und die FDP sind ähnlich stark gewachsen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Während sich die glp noch immer der Grenze von 20’000 Follower annähert, hat die BDP nun mehr als 2’500 Follower.

Bei den beiden Polparteien hat sich das Bild der Vormonate wenig verändert. Die SP legt auf hohem Niveau weiter zu – mit der absolut höchsten Zunahme an Followern, während die SVP prozentual am stärksten wächst.

Facebook

Auf Facebook sieht die Lage anders aus. Gemessen an der Anzahl «Likes» zu Beginn des Monates haben die BDP, die CVP, die glp und die EVP am wenigsten zugelegt. Das entspricht auch dem Wachstum im März und im April 2016. Die FDP hat im Mai am  meisten zulegen können und ist dicht gefolgt von der Grünen Partei auf Platz zwei. Die beiden Polparteien belegen gemeinsam den dritten Rang – sie sind ungefähr gleich stark gewachsen.

 

Thomas Willi

Wrap-Up: Zu Beginn jedes Monats veröffentlichen wir die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen Partei. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.

[1] Foto: Jason Howie|Flickr

[2] Die Beobachtungsperiode startet am 1.5.2016 und endet am 31.5.2016.

Die Schweizer Twitter-Geografie

Im Wahlkampf 2015 wurde auf Twitter rege diskutiert. Doch woher stammen die Tweets? Bestimmt eine Region den gesamten Onlinediskurs? Der Gastbeitrag von Nicole Bosshard zeigt neben der Themeneinteilung auch, dass der Röstigraben auf Twitter beinahe überwunden wurde.

Twitter wurde kürzlich zehn Jahre alt. In der Schweiz sind über 250’000 Userinnen und User auf dem Social-Media-Kanal aktiv. [2] Davon konnten rund 2100 parteipolitisch-relevante Accounts identifiziert werden. Darunter sind sowohl kommunale, kantonale und nationale Politikerinnen und Politiker vertreten, wie auch Parteien aller Ebenen und User mit einer Parteibindung oder einer sonstigen parteipolitischen Affiliation.

Diese Untersuchung konzentriert sich auf alle Tweets, welche in der Wahlkampfphase zu den eidgenössischen Wahlen im letzten Herbst (18.07.2015- 18.10.2015) zu einem parteipolitischen Stichwort und/oder von einem partei-affiliiertem User publiziert wurden und eine geografische Zuordnung zuliessen. Nach Bereinigung der Daten sind dies rund 17000 Tweets.

DIE WAHLEN- DAS DOMINANTE THEMA

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Zu Hashtags wie #Chvote, #WahlCH15 oder #wahlen – um nur einige der untersuchten Stichworte zum Themenkreis «Wahlen 2015» zu nennen – wurde am absolut häufigsten getweetet. Unter der Rubrik «Politik Allgemein» folgten politische Hashtags wie #politik oder #abst, oder auch jene, welche direkt auf sachpolitischen Inhalte zielen, wie beispielsweise #mei. Das Thema «Sonstiges» fasst Tweets mit theoretisch politisch irrelevantem Content, wie #srf oder #wetter zusammen. Die Parteien umfassen die sieben grossen Schweizer Parteien. Mediale oder öffentlichkeitsrelevante Stichworte, wie zum Beispiel #refugeeswelcome werden unter «Öffentlichkeit» gruppiert. Mobilisierungsbemühungen gegen die SVP (unter anderem: #stopSVP) oder auch Wahlaufforderungen (z.B. #govote) fanden verhältnismässig geringen Anteil.

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Sprachregionale Unterschiede lassen sich sowohl in der Quantität der Tweets, wie auch in deren Inhalt finden. Die Mehrheit der Tweets stammte erwartungsgemäss aus der Deutschschweiz (76%). Jedoch ist nur eine Minderheit der Deutschschweizer Tweets (~35%) eindeutig dem Wahlkampf zuzuordnen. Je rund 20% der Tweets in diesem Gebiet widmeten sich den Parteien- oder der allgemeinen Politik.

Das Tessin verfasste nur 1% aller Tweets im Wahlkampf. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem italienisch-sprachigen Teil der Schweiz ist deshalb gesamtschweizerisch kaum relevant. Hinzuweisen ist nichtsdestotrotz darauf, dass auch im Tessin das Wahlkampfthema überwog. Ebenfalls erwähnenswert ist die Tatsache, dass medial- und öffentlichkeits-relevante Themen einen höheren Anteil der Tweets ausmachten, als in den anderen Sprachregionen.

AKTIVISTIN ROMANDIE

Gegenteilig dazu zeigt sich die Romandie: 23% aller Tweets wurden in einem (mehrheitlich) französischsprachigen Kanton versendet und rund 80% dieser Kurznachrichten drehten sich rund ums Thema Wahlkampf.

GEOGRAFISCHE ZUORDNUNG

In einer Analyse erkannten Wüest und Müller, dass die urbanen Zentren die meisten partei-affiliierten Accounts in der Schweizer Twitterlandschaft bewirtschaften.[3] Die grössten Städte sind dabei eher diejenigen mit den meisten Accounts. Kleinere Ortschaften sind in ihrem Sample ebenfalls ziemlich gut repräsentiert, während der Nachteil eher bei mittelgrossen Gemeinden (20000 bis 30000 Einwohner) liegt.

TWITTERWAHLKAMPF IN DEN KANTONEN

Kantone mit den (absolut) gesehen meisten politischen Tweets sind Bern, Zürich, Waadt und Luzern. Kantone ohne urbane Zentren wie die beiden Appenzell, Uri, Jura, Glarus, Nid- und Obwalden oder Schwyz spielten im politischen Twitter absolut und relativ gesehen kaum eine Rolle. Die Analyse zeigt auch, dass Twitter noch nicht eine gesamtschweizerische Etablierung erreichen konnte. Besonders ländliche Kantone, wie auch das Tessin, aber auch Genf oder Schaffhausen hinken ihrem Potential hinterher.

DIE WAHLKAMPFKÖNIGE

Die Zahlen der User des Kantons Waadt sind als Überraschung einzustufen. Mit einem sehr kleinen Anteil (gerade mal 4%) an der Diskussion zu Parteipolitik und allgemeinen politischen Themen erwartet man nicht zwingend ein Auffallen in der Nutzung von wahlkampfspezifischen Hashtags. Jedoch gehen fast 21% aller Wahlkampftweets in den Kanton Waadt. Gesamthaft war er der relativ dritt aktivste Kanton im Twitter-Wahlkampf. Verantwortlich dafür ist die Aktivität von Usern aus Lausanne. Stellten Wüest und Müller (2015) noch fest, dass Lausanne unter den parteipolitischen Twitterer eher unterrepräsentiert war, haben diese im letzten Wahlkampf zugelegt und waren sehr aktiv.

Eher erwartet wurde eine grosse Aktivität von den Berner Accounts. Sowohl im allgemeinen politischen Diskurs (rund 30% aller Tweets aus dem Kanton Bern), wie auch in der Wahlkampfdiskussion (über 20%) erwies sich der Kanton absolut und relativ als äusserst aktiv.

DER RÖSTIGRABEN IST NICHT BESONDERS TIEF               

Die Grafik untermauert die Annahme, dass Twitter -zumindest in der politischen Sphäre- eher ein Wahlkampfmedium der Kantone mit urbanen Zentren war. Diese Feststellung lässt sich jedoch nicht auf alle Kantone übertragen. Der Kanton Genf etwa zeigte sich im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl ziemlich inaktiv. Interessant ist, dass in der Aktivität der Kantone kein tiefer Röstigraben existiert. Unterschiede bestehen hingegen in der Themenwahl: Die französischsprachige Schweiz zeigt sich wahlkampforientierter als die deutschsprachige Schweiz.

Nicole Bosshard          

Nicole Bosshard studiert an der Universität Zürich (MA) mit dem Hauptfach Politikwissenschaft und dem Nebenfach Publizistik und Kommunikationswissenschaften.

Daten

Die Daten stammen aus einer Erhebung des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Zürich. Die Tweets wurden mittels Twitter-API für den Zeitraum des Wahlkampfes gestreamt. Die Ortschaften wurden mittels Google-Maps codiert. Eine randomisierte Strichprobe zeigte, dass die Codierung zuverlässig erfolgte. Die Hashtags wurden in einem mehrschichtigen Verfahren definiert. Und dabei unter anderem mit den Stichworten von Politan und dem foeg abgeglichen.[4][5] Die Endauswahl beinhaltet 38 (der 80 meist verwendeten Hashtags), welche in acht Themengebiete gruppiert werden können. Die Fallzahl beträgt 17000: Dies sind alle Tweets, die von einem partei-affiliiertem Account gesendet wurden, oder aber ein partei-affiliiertes Stichwort beinhalten, sich codieren liessen und einem Themengebiet zuzuordnen waren.

[1] Foto: cagbay |Flickr

[2] Informieren Sie sich unter diesem Link über die Zahlen der Net-Metrix-Erhebung.

[3] Die Studie von Wüest und Müller können Sie hier nachlesen.

[4] Lesen Sie mehr im folgenden Artikel von Politan.

[5] Die Medienagenden des foeg sind hier zu finden.

 

Wo erzeugen welche Volksinitiativen die meiste Resonanz?

Aufmerksamkeit ist Voraussetzung, ist Antrieb, ist Währung politischen Erfolges. Ohne sie geht kaum etwas, das belegt auch die Forschung. Ist das neue soziale Medium Twitter in dieser Hinsicht nun bloss Abbild der offline-Welt oder setzt es eigene Akzente? Und welche Unterschiede offenbaren sich in der Bewertung der Abstimmungsvorlagen zwischen Presse und Parlament? Ein Gastbeitrag von Salim Brüggemann.

Verschiedene Forschungsarbeiten aus der Politik- und Kommunikationswissenschaft legen nahe, dass Wahl- wie Abstimmungserfolge stark von der Medienresonanz der jeweiligen Akteure bzw. deren Kernthemen abhängen.[2] Dabei ist mitunter nachrangig, in welche Richtung die Reaktionen des Publikums laufen. Hauptsache, es entsteht genügend Aufruhr, um die eigene Anhängerschaft kräftig wachzurütteln – und damit für einen anstehenden Urnengang zu mobilisieren.

Klassischerweise werden dabei die althergebrachten Printmedien untersucht, wie dies beim sogenannten Abstimmungsmonitor des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich der Fall ist.[3] Seit Anfang 2013 und damit zum mittlerweile elften Male haben die beteiligten Medienwissen­schaftler Resonanz und Tonalität aller Vorlagen eines Abstimmungstermines in den vorangegangenen Wochen anhand von Zei­tungsartikeln der grössten Schweizer Printmedien erfasst und analysiert (vgl. Info zu den Metho­den am Schluss dieses Beitrags).

Ausgehend von diesen Daten sollen im Folgenden Vergleiche gezogen werden mit eigenen Erhebungen und Auswertungen von Politiker-Tweets und Parlamentsreden in National- und Ständerat. So lässt sich etwa der Frage nachgehen, ob die Aufmerksamkeit der politischen Elite mit derjenigen der Presse zusammenhängt oder ob Parlament und Journalismus gemeinsam Schlagseite haben, wenn es um die inhaltliche Bewertung der Volksbegehren geht.

Wenn das Gezwitscher los geht, dann aber richtig

Heute ist evident: Twitter macht auch vor der Schweizer Politszene nicht halt. Gemäss einem einschlägigen Datensatz der Universi­tät Zürich zählt der kürzlich 10-jährig gewordene Kurznachrichtendienst inzwischen über 2’000 Twitter-Konten von Schweizer Politikern und Parteisoldaten.[4] Mehr als die Hälfte aller Bundesparlamentarier nutzt den Dienst – bei ei­nem Durchschnittsalter von 50 (Nationalrat) respektive 55 Jahren (Ständerat) durchaus keine Selbstverständ­lichkeit.[5]

Ein Vergleich zwischen den von diesen 2’000 Twitter-Konten abgesetzten Tweets, den gemäss des fög-Abstimmungsmonitors ermittelten Printbeiträgen und den zugehörigen Parlamentsreden zu allen Volksinitiativen der letzten drei Jahre gestaltet sich wie folgt:


 

Was als erstes auffällt, sind die vergleichsweise starken Ausschläge bei den abgesetzten Tweets. Die Aufmerksamkeit von Parlament und Printmedien fällt nicht annähernd so selektiv aus. Bekanntlich sind die politischen Kräfte nicht ausgewogen auf Twitter vertreten, sondern das Gezwitscher grosso modo eher links-schief. Dies spiegelt sich auch in der Tweetzahl zu den einzelnen Initiativen wieder: So findet zwar die Masseneinwanderungsinitiative in den Printmedien mehr Resonanz als die 1:12-Initiative, doch auf Twitter ist es genau umgekehrt. Verschiedene andere Vorlagen von Rechts – wie die Volkswahl des Bundesrates, die Streichung der Abtreibungsfinanzierung durch die Grundversicherung oder die Goldinitative – finden auf Twitter nur wenig Beachtung, während etwa die Mindestlohn-, die Erbschaftssteuer- oder die Initiative für eine Energie- statt Mehrwertsteuer im Verhältnis zur Printmedienberichterstattung ausserordentlich viel Interesse wecken. Unangefochtene Spitzenreiter in der Tweetzahl sind indes die beiden jüngsten migrationspolitischen Vorlagen: Die Ecopop- und die Durchsetzungsinitiative.

Die Beschäftigung der Parlamentarier mit direktdemokratischen Anliegen hingegen unterliegt nur relativ geringen Schwankungen und korreliert kaum mit den beiden Medienformaten. Im Gegenteil werden die «Popstars» der Initiativen – diejenigen, die medial die höchsten Wellen schlagen – nach relativ kurzer Debatte abgewunken. So geschehen bei der 1:12-, der Ecopop- oder der Durchsetzungsinitiative. Die Abzockerinitiative scheint dabei die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Demgegenüber wird bei näherer Betrachtung eine gewisse Korrelation zwischen Twitter und Printjournalismus erkennbar. Die Berechnung eines Pearson-Korrelationskoeffizienten bestätigt die Vermutung: Zwischen der altehrwürdigen Offline-Presse und dem Kurznachrichten-Gezwitscher besteht ein relativ starker, statistisch signifikanter Zusammenhang (0.77).[6]

Dieser wird in folgendem Diagramm verdeutlicht (mit der Maus über die Kreise fahren für nähere Angaben über die einzelnen Vorlagen):

 

Zwar ist die Fallzahl gering und insbesondere im oberen Bereich ist die Datenlage dünn, aber trotzdem lässt sich festhalten, dass die beiden Medienformate klar zusammenhängen. Allfällige Ursache-Wirkungs-Beziehungen bleiben freilich ungeklärt – es scheint aber wahrscheinlich, dass eher die Realwelt tonangebend ist und die digitale Sphäre ihr folgt.

Zeitungen und Parlament beurteilen die Vorlagen ähnlich

Leider ist es nicht ohne Weiteres möglich, die Tweets hinsichtlich der Tonalität gegenüber den Vorlagen einzuordnen. Doch immerhin mit den Parlamentsreden ist ein solches Unterfangen realisierbar. Konkret wurde bei denjenigen Parlamentariern, welche eine Rede zu einer untersuchten Vorlage hielten, ermittelt, wie sie bei der Schlussabstimmung zu ebendiesem Geschäft gestimmt haben. Auf diese Weise lässt sich mit relativ hoher Sicherheit bestimmen, ob eine Rede pro oder contra den Forderungen der jeweiligen Vorlage ausfiel.

Wie sich zeigt, besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der auf diese Weise ermittelten Tonalität der Parlamentsreden und derjenigen der Printbeiträge.[7] Für die Volksinitiativen wird dieser anhand der folgenden Grafik ersichtlich.


 

Werden nun statt bloss der Volksinitiativen 「I」 alle vom fög-Abstimmungsmonitor erfassten Vorlagen in die Analyse aufgenommen – d. h. auch die direkten Gegenvorschläge 「D」 sowie obligatorischen 「O」 und fakultativen Referenden 「F」 – so erhöht sich die Korrelation nochmals erheblich.[8]


 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Twitter-Forum keineswegs in luftleerem Raum bewegt und das politische Gezwitscher denselben Abstimmungsvorlagen die grösste Aufmerksamkeit schenkt wie die professionelle Presse. Dagegen scheinen im tagenden Parlament ganz klar andere Kriterien zu gelten für eine lebendige Debatte. So lässt sich denn auch keine eindeutige Antwort geben auf die Frage, ob die Volksinitiativen in der gemeinen Öffentlichkeit jeweils ähnlich salient sind wie unter der politischen Elite. Sie sind es nicht, betrachtet man die stark formalisierten Reden im Parlament. Sie sind es doch, betrachtet man hingegen den eher informellen Kommunikationsfluss auf Twitter – auch wenn ausschliesslich National- und Ständeräte berücksichtigt werden. Denn die Korrelation zwischen allen Politiker-Tweets und der Untermenge der Bundesparlamentarier ist nahezu perfekt.[9]

Ferner erstaunt das Ausmass der Gleichartigkeit in der Bewertung direktdemokratischer Vorlagen überaus. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament scheinen sich im Printjournalismus regelrecht zu reproduzieren. Dass Parlament und Printmedien unter dem Strich eine derart hohe Ähnlichkeit in der Tonalität aufweisen, scheint schon fast ein wenig suspekt. Doch die im Rahmen dieses Beitrags ermittelten Daten zeigen in eine eindeutige Richtung – was natürlich förmlich nach weitergehenden Untersuchungen in dieser Hinsicht ruft.

Salim Brüggemann

Salim Brüggemann studiert an der Universität Zürich (MA) Politikwissenschaft.

[1] Bild: Eigene Darstellung basierend auf Werken von edar|Pixabay und Peter Schneider|Keystone.

[2] Vergleichen Sie hierzu folgende Literatur:

Boomgaarden, Hajo G.; Vliegenthart, Rens (2007): Explaining the Rise of Antiimmigrant Parties: The Role of News Media Content. In: Electoral Studies, Jg. 26, H. 2, S. 404–417.

Mazzoleni, Gianpietro (2008): Populism and the Media. In: Albertazzi, Daniele; McDonnell, Duncan (Hg.): Twenty-First Century Populism. The Spectre of Western European Democracy. Basingstoke: Palgrave, S. 49–64.

Udris, Linards: Imhof, Kurt (2011): Conflict, the Media and the Far Right. Theoretical Foundations and Empirical Evidence from the Case of Switzerland. In: Virchow, Fabian (Hg.): Media an the Far Right in Contemporary Europe –Theoretical Considerations and Case Studies, Brüssel.

Walgrave, Stefaan; Swert, Knut de (2007): Where Does Issue Ownership Come From? From the Party or from the Media? Issue-party Identifications in Belgium, 1991–2005. In: The Harvard International Journal of Press/Politics, Jg. 12, H. 1, S. 37–67.

[3] Den Abstimmungsmonitor finden Sie hier.

[4] Der Datensatz stammt von Bruno Wüest, Oberassistent an der Universität Zürich, und diente auch als Grundlage für diese Arbeit.

[5] Mehr Informationen zu den Räten lesen sie hier nach.

[6] Das 95 %-Konfidenzintervall verläuft dabei von 0.51 bis 0.90.

[7] Der entsprechende Pearson-Korrelationskoeffizient beträgt 0.51. Das 95 %-Konfidenzintervall verläuft dabei von 0.10 bis 0.77.

[8] Der entsprechende Pearson-Korrelationskoeffizient beträgt 0.75. Das 95 %-Konfidenzintervall verläuft dabei von 0.55 bis 0.87.

[9] Der entsprechende Pearson-Korrelationskoeffizient beträgt 0.98. Das 95 %-Konfidenzintervall verläuft dabei von 0.95 bis 0.99.

Methoden

Twitter:
Es wurden für die vorliegende Analyse alle öffentlich zugänglichen Tweets der rund 2’000 Twitter-Konten aus dem Schweizerpolitik-Datensatz von Bruno Wüest untersucht. Dabei konnten allerdings aufgrund einer von Twitter auferlegten API-Beschränkung pro Konto jeweils nur die 3’200 neuesten Tweets in die Analyse aufgenommen werden (Twitter unterbindet schlicht den Abruf älterer Tweets). Es haben aber nur 142 aller untersuchten Twitter-Konten mehr als 3’200 Tweets abgesetzt und sind damit von dieser Limite betroffen. Von diesen 142 Konten wiederum fallen die unberücksichtigten Tweets nur bei 96 Konten überhaupt in einen der Untersuchungszeiträume (d. h. nach dem 12. Dezember 2012 getweetet). Unter dem Strich fällt die Abdeckung also sehr hoch aus.
Als Untersu­chungszeiträume dienten exakt dieselben wie beim fög-Abstimmungsmonitor (meist knapp 3 Monate bis 1 Woche vor der Abstimmung). Von den insgesamt 1,2 Mio Tweets fallen damit je nach Abstimmung zwischen 30’000 und 100’000 Tweets in den jeweiligen Untersuchungszeitraum.
Für die Zuordnung der Tweets zu den einzelnen Vorlagen wurde ausschliesslich die deutsche Sprache berücksichtigt, d. h. französische, italienische, englische oder gar rätoromanische Tweets fanden höchsten als „Beifang“ Eingang in die Analyse. Die Tweets wurden für jede Vorlage mittels regulärer Ausdrücke durchsucht (sozusagen eine thematische Suche statt bloss eine nach dem Titel o. ä. Ein Beispiel: Im Falle der Durchsetzungsinitiative etwa wur­den die Tweets nicht bloss nach den gebräuchlichen Hashtags und dem Titel der Initiative sowie gängigen Abwandlungen davon (wie «Entrechtungs-» oder «Verschär­fungsinitiative») durchforstet, sondern auch nach Wortfolgen wie „kriminelle(r) Ausländer“ oder dem gemeinsamen Auftreten von Wörtern wie «Automatismus» zusammen mit «#ASI» (Hashtag für die Ausschaffungsinitiative) oder «Initiative», «Vorlage», „Abstimmung“ etc. Besonderes Augenmerk wurde auf die Vermeidung von falschpositiven Treffern gelegt. Kurz gesagt, es steckt enorm viel Handarbeit in der Formulierung der regulären Ausdrücke, welche sich bei Interesse alle im verlinkten R-Code des ursprünglichen Blogeintrags weiter unten finden).

Parlamentsreden:
Für die Parlamentsreden wurde die Tonalität analog zum fög-Abstimmungsmonitor berechnet, d. h. nach folgender Formel:
(Anzahl Reden Pro – Anzahl Reden Contra) / Gesamtzahl Reden * 100
Berücksichtigt zur Ermittlung der Tonalität wurden nur diejenigen RednerInnen, welche zum ent­sprechenden Geschäft auch ein eindeutiges Abstimmungsverhalten aufwiesen, d. h. bei der jewei­ligen Schlussabstimmung mit Ja oder Nein gestimmt haben. Dies trifft im Schnitt doch immerhin auf mehr als 2/3 Drittel der RednerInnen zu – wobei berücksichtigt werden muss, dass ein Teil der RednerInnen sowieso keine stimmberechtigten ParlamentarierInnen sind, sondern Bundesräte etc.

Printmedien:
Die Daten zu den Printmedien (Anzahl und durchschnittliche Tonalität der Beiträge) stammen vollumfänglich vom fög. Wie eingangs erwähnt, wird dort seit Anfang 2013 systematisch erhoben, wie in ver­schiedenen Schweizer Tages- und Wochenzeitungen über die Abstimmungsvorlagen berichtet wird. Das Sample an Zeitungen wurde 2014 deutlich ausgebaut und umfasst mittlerweile die 22 reichweitenstärksten Titel. Zum letzten Abstimmungstermin vom 28. Februar 2016 etwa wurden insgesamt 1’128 Artikel ausgewertet.


Dieser Blogeintrag erschien in leicht anderer Form im Rahmen des Forschungsseminars Politischer Datenjournalismus der Universität Zürich auf dem Blog des Seminars.

 

Schweizer Politik und Social Media im April 2016

Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen? Der vierte Teil der Serie geht zum ersten Mal auf individuelle Twitter-Accounts ein, welche politischen Parteien zuzuordnen sind.

Twitter

Wenn die Entwicklung der «Follower» an der Zahl zu Beginn des Monates gemessen wird, dann bilden die EVP und die Grünen die Schlusslichter.[2] Die BDP und die FDP sind ähnlich stark gewachsen, wenn natürlich auf unterschiedlichem Niveau. Die FDP hat im April tatsächlich die Grenze von 10’000 Followern überschritten. Während sich die glp der Grenze von 20’000 Follower annähert, hat es die BDP nicht geschafft im April auf 2’500 Follower zu kommen (es sind 2490). Prozentual ist wieder die CVP am stärksten gewachsen. Wenn sie weiter so zulegt wie im März und im April, dürfte sie bald die FDP einholen.

Bei den beiden Polparteien hat sich das Bild der Vormonate wenig verändert. Die SP legt auf hohem Niveau weiter zu – mit der absolut höchsten Zunahme an Followern, während die SVP prozentual stärker wächst.

Facebook

Auf Facebook sieht die Lage anders aus. Gemessen an der Anzahl «Likes» zu Beginn des Monates haben die BDP, die CVP, die glp und die EVP am wenigsten zugelegt. Das entspricht auch dem Wachstum im März 2016. Darauf folgen die SP und die Grünen. Die FDP hat im April am zweit meisten zulegen können und die SVP hat wieder zu ihrer alten Stärke auf Facebook zurückgefunden. Während es zu Beginn des Jahres noch so aussah, als ob die SP drauf und dran wäre, die SVP einzuholen, scheint sich auch dies wieder normalisiert zu haben.

zur politik-sphäre auf twitter

Neben der Entwicklung der Followerzahlen von Parteipages zeigen wir zum ersten Mal eine Zusammenfassung aller Accounts, die politischen Parteien zugeordnet werden können. Konkret wurden Accounts berücksichtigt, die eine Parteibindung deklarieren oder angeben, auf irgendeiner Ebene ein politisches Amt auszuführen.[3] Bis im Februar 2016 konnten so knapp 2300 Accounts identifiziert und Parteien zugewiesen werden.[4]

Interessanterweise flacht das Wachstum an neuen Accounts seit den eidgenössischen Wahlen 2016 stark ab, was darauf hindeutet, dass die Twitter-Aktivität stark an den Wahlkampf geknüpft ist.

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Welchen Parteien lassen sich die Accounts zuordnen? Die folgende Grafik zeigt zwei Dinge. Erstens, dass mit Ausnahme der SVP und der Restkategorie «Others» alle Parteien auf Twitter besser abschneiden als im nationalen Parlament oder anders formuliert: Würde die tatsächliche Parteistärke anhand der Twitter-Accounts gemessen, so würden alle Parteien überschätzt – ausser der SVP. Zweitens ist bemerkenswert, dass – würde die SVP nicht so stark aus der Reihe tanzen – die Parteiränge relativ gut abgebildet werden.

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Die Accounts lassen sich aber nicht nur den einzelnen Parteien zuordnen, sondern können auch nach weiteren Merkmalen aufgeschlüsselt werden. Wir haben vier davon ausgewählt.

1: Frauenrepräsentation

Es zeigt sich, dass Frauen nicht nur in der realen Politiksphäre unterrepräsentiert sind, sondern auch in der Twitter-Politsphäre.[5] Während im Nationalrat ungefähr auf jeden zweiten Mann eine Frau kommt, ist auf Twitter nur jeder vierte Account einer Frau zuzuordnen (ohne Berücksichtigung der Kategorie «Organisation», unter der Parteiaccounts aufgeführt sind).[6]

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2: Die Legislativen stellen die meisten Twitterer

Am meisten Twitterer lassen sich der Legislative, sprich der gesetzgebenden Gewalt, zuordnen. Unter «Mitglied» sind Accounts klassifiziert, die lediglich ein Parteikürzel in der Beschreibung angegeben haben. Sie unterscheiden sich von der Kategorie «Partei», die Accounts subsumiert, welche eine Funktion innerhalb der Partei einnehmen (z.B. eine Parteipräsidentin oder ein Aktuar).

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3: Deutschsprachige Accounts überwiegen

Die Sprachverteilung überrascht weniger: Die Sprachregionen sind mehr oder weniger ähnlich auf Twitter vertreten. Bemerkenswert ist einzig, dass sich unter den 2300 Accounts auch 0.2% in spanischer Sprache zu finden sind.

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4: Die Gemeinden verschaffen sich Gehör

Zum Schluss haben lassen sich die Accounts verschiedenen Ebenen zuordnen. Eine Nationalrätin wird demnach der «nationalen» Ebene zugeordnet und eine Gemeindepräsidentin gehört zur kommunalen Ebene. So lässt sich zeigen, dass die Mehrheit der Accounts der Gemeindeebene zuzuordnen ist. Darauf folgen die kantonale und etwas abgeschlagen die nationale Ebene. Auch einige wenige internationale Accounts konnten identifiziert werden (z.B. der internationale Account der CVP).

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Thomas Willi

Wrap-Up: Zu Beginn jedes Monats veröffentlichen wir die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen Partei. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.

[1] Foto: Jason Howie|Flickr

[2] Die Beobachtungsperiode startet am 1.4.2016 und endet am 30.4.2016.

[3] Mehr zur Methodik lesen Sie im Beitrag von Wüest, Bruno, Müller Christian und Thomas Willi für die jährliche Konferenz der Schweizer Politikwissenschaft 2016 in Basel. Hier geht es zum pdf.

[4] Im Datensatz sind auch Accounts enthalten, die nicht mehr aktiv sind.

[5] Lesen Sie hier mehr zur Repräsentation von Frauen in der Politik.

[6] Der aktuelle Anteil ist hier entnommen.

Schweizer Politik und Social Media im Februar 2016

Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen? Der zweite Teil der Serie kürt die «Facebook-Königin» unter den Parteien und schaut etwas genauer hin.

Zu Beginn jedes Monats veröffentlichen wir die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen Partei. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.

Twitter

Wenn die Entwicklung der «Follower» an der Zahl zu Beginn des Monates gemessen wird, dann sind die EVP und Grünen am wenigsten gewachsen. Mit Ausnahme der CVP und der SVP weisen alle anderen Parteien eine ähnliche Entwicklung auf: Sind haben ungefähr gleich stark zugelegt. Die beiden Ausnahmen sind um fast einen Viertel (SVP), respektive einen Fünftel (CVP) gewachsen. Grundsätzlich gilt zu beachten, dass diese Entwicklung auf verschiedenen Niveaus geschieht. Misst man die SVP an den Zahlen der SP, hat sie noch ein ziemlich grosses Aufholpotenzial.

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Wurden Sie schon einmal mit politischen Botschaften in den sozialen Medien konfrontiert?

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Facebook

Auf Facebook sieht die Lage bekanntlicherweise anders aus, auch wenn sich für alle Parteien sagen lässt, dass sie an «Likes» zugelegt haben. Gemessen an der Anzahl «Likes» zu Beginn des Monates haben die CVP, die EVP und die BDP am wenigsten zugelegt. Darauf folgen die beiden grünen Parteien und die FDP, während die beiden Polparteien die Spitze bilden. Augenfällig ist vor allem die Entwicklung der SP. Sie konnte im Februar über 40% zulegen und ist, zumindest was die «Likes» betrifft, fast auf dem Niveau der SVP zu Beginn des Monates. Wir küren deshalb die SP zur «Facebook-Königin» des Februars. Ob diese Entwicklung mit den Abstimmungen vom Februar zusammenhängen, kann zumindest vermutet werden.

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It’s the interaction, stupid

Um nicht nur etwas zur «Like»-Entwicklung sagen zu können, haben wir uns zusätzlich die Interaktion mit den Partei-Seiten auf Facebook angeschaut. Über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr[2] vereinen die untersuchten Parteien[3] über 250’000 Interaktionen. Zu solchen Interaktionen zählen wir Kommentare und «Likes», welche zu Beiträgen auf den entsprechenden Partei-Pages abgegeben wurden. Spitzenreiter ist hier die SVP, gefolgt von der SP, der FDP und der CVP. Bereits deutlich abgeschlagen sind die GPS und die glp. Am wenigsten Interaktion verzeichnet die BDP.

Über den tellerrand hinaus?

Interessant ist, dass die Interaktionen zum Teil in erheblichem Masse von denselben Personen kommen. Konkret heisst das, dass ca. 60’000 Personen für die gesamte Interaktion verantwortlich sind. Besonders Kampagnenverantwortliche dürften sich dafür interessieren wie  das Verhältnis der Interaktionen zur der Anzahl der Personen, welche dafür verantwortlich sind, ist. Wir bezeichnen die absoulte Anzahl der Personen, welche mindestens einen Beitrag «geliked» oder kommentiert haben, als Reichweite. Die Anzahl der durchschnittlichen Interaktion pro Personen entspricht der Interaktionsrate. Die folgende Grafik zeigt die Aufschlüsselung der Zahlen nach Parteien.

Die Grafik zeigt die durchschnittliche Interaktion pro Person mit den Partei-Seiten auf Facebook.
Die Grafik zeigt die durchschnittliche Interaktion pro Person mit den Partei-Seiten auf Facebook.

Die beiden Polparteien kommen auf je ca. 70’000 Interaktionen. Die Aufschlüsselung in der Grafik verdeutlicht, dass insbesondere die SP im untersuchten Zeitraum am meisten verschiedene Personen erreicht hat. Das folgende Beispiel zeigt das: Wenn die SVP mit verschiedenen Beiträgen auf total 100 Interaktionen («Likes» und Kommentare) kommt, so stammen diese von 20 verschiedenen Personen. Bei der SP sind es hingegen 28 Personen. Lässt sich damit eventuell die Aufholjagd der SP auf Facebook begründen?

Auf der Suche nach Gründen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Über den tatsächlichen Grund (oder besser: die Gründe) für den krassen Anstieg an «Page-Likes» der SP lassen sich wohl nur Dinge eher spekulativer Natur sagen. Wir können jedoch versuchen, gewisse Entwicklungen aufzuzeigen. Damit diese vergleichbar sind, berücksichtigen wir zusätzlich die SVP. Die beiden folgenden Grafiken zeigen die Anzahl Beiträge der Parteien, sowie die Korrelation der Anzahl Beiträge mit den Interaktionen.

Anzahl Beiträge pro Monat für die SVP und die SP.
Anzahl Beiträge pro Monat für die SVP und die SP.

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Wenig überraschend hängt die Anzahl Interaktionen mit der Anzahl Beiträgen zusammen. Wenig überraschend deshalb, da es ohne Beitrag auch keine Interaktionsmöglichkeiten gibt. Trotzdem zeigen die beiden Beispiele, dass sich regelmässige Beiträge auf den Pages lohnen. Die SP hat sich diesbezüglich seit November 2015 stark verbessert und kontinuierlich mehr Beiträge pro Monat publiziert. Damit ist es der Partei wohl gelungen, die Reichweiten-Generatoren-Funktion für Medieninhalte auszunützen.[4] Ob das alleine den Anstieg der «Likes» auf der Parteiseite erklärt, sei dahin gestellt. Die zeitliche Nähe und die Brisanz der Februarabstimmung wird auch einen Teil dazu beigetragen haben. Wir bleiben dran.

Thomas Willi

Der Zwischentitel «It’s the interaction, stupid» ist vom Wahlkampblog abgekupfert. Den dazugehörigen Artikel lesen Sie hier.

[1] Foto: Jason Howie|Flickr

[2] Der Beobachtungsperiode startet am 1.1.2015 und endet am 27.2.2016.

[3] Aufgrund eines technischen Problems konnten für die «Pagelike»-Entwicklung der Parteiseiten nur die deutschsprachigen Partei-Pages berücksichtigt werden.

[4] Der Ausdruck «Reichweite-Generator» wurde von von hier entlehnt.

 

 

 

 

 

Social Media im Wahlkampf 2015

Dieser Wahlkampf wird unter anderem wegen der immer wichtiger werdenden Rolle von Social Media in Erinnerung bleiben: Die SVP lancierte mehrere Musikvideos auf Youtube, die FDP versuchte sich auf Vine und Instagram und Aline Trede, Kandidatin der Berner Grünen, testete die Dating-App Tinder. 

Auch wenn die Wirkung von Social Media vermutlich überschätzt wird, Tatsache ist, dass kaum ein Politiker mehr ganz um die sozialen Medien herumkommt. Wie aktiv waren die Parteien tatsächlich in diesen Wahlen?[1] Und wie erfolgreich? Dazu analysierten wir Daten der zentralen Parteiaccounts auf Facebook und Twitter seit dem April 2015.[3] Während die Linken tatsächlich die Twitter-Könige sind, wird Facebook von der SVP regiert.[4]

Die ersten beiden Abbildungen zeigen die Entwicklung der Facebook Likes und Twitter Follower in den letzten 27 Wochen. Die Grafiken machen klar, dass die Popularität der Parteien auf beiden Social-Media-Kanälen relativ schwach aber konstant zunimmt. Auf Facebook legte die SVP am deutlichsten zu, mit mehr als 3’700 neuen Likes. Im Gegensatz zu den anderen Parteien scheint es bei der SVP zudem einen zusätzlichen Kampagneneffekt in den letzten Wochen vor den Wahlen gegeben zu haben.

Entwicklung der Likes pro Partei

Facebook Ad für die CVP Page
Facebook Ad für die CVP Page

Dies ist wohl auf ihr Wahlkampfvideo «Welcome to SVP» und dessen erfolgreiche Verbreitung über Facebook zurückzuführen. Der «Knick» nach oben fällt nämlich genau in Woche 36, als die SVP die ersten «Teaser» für den Videoclip auf ihrer Facebook Page postete. Ihre Strategie, deren Ziel vermutlich vordergründig die Ansprache und Mobilisierung junger potenzieller Wähler war, scheint also aufgegangen zu sein – zumindest auf Facebook. Auch die CVP verzeichnete einen abrupten Anstieg an Facebook Likes in den letzten vier Wochen. Hier ist die Ursache weniger klar. Möglicherweise machte die Partei stärker Gebrauch von Facebook Ads (siehe Bild) als zuvor. Bei den anderen Parteien scheint es ebenfalls einen leichten Wahlkampfeffekt gegeben zu haben, wenn auch viel weniger ausgeprägt.

Entwicklung der Twitter Followers

Auf Twitter ist mit Abstand die SP am populärsten. Sie gewann seit dem April fast 6’000 neue Follower. Aber auch die Grünliberale Partei beeindruckt mit einer grossen Twitter-Gefolgschaft und einem Plus von über 3’000 Followern. Allen übrigen Parteien folgen weniger als halb so viele Twitter-Nutzer. Im Gegensatz zu Facebook sind auf Twitter kaum Wahlkampfeffekte ersichtlich.

Wie steht es um die Aktivität

Die Parteien sind nicht nur unterschiedlich beliebt auf Facebook und Twitter, sie unterscheiden sich auch in ihrer Aktivität. Die folgende interaktive Grafik zeigt die Anzahl Facebook-Posts bzw. Tweets, die von den jeweiligen Partei-Accounts pro Woche abgesetzt wurden. Insgesamt ist ein «Sommerloch» und danach eine leicht verstärkte Aktivität im Hinblick auf die Wahlen erkennbar. Die Parteien setzten die sozialen Medien also aktiv ein als Wahlkampfmittel. Besonders sticht die Grüne Partei hervor, die ihre Aktivität in den letzten Wochen nochmals ganz klar intensiviert hat. Ihre hohe Anzahl Posts hat allerdings auch damit zu tun, dass sie ziemlich konsequent alles sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch posten – dies ist bei Weitem nicht bei allen Parteien der Fall (Mobile Grafik).

Auf Facebook wird neben der Anzahl Likes auch eine Zahl angegeben für «People talking about this.»[5] Damit wird gemessen, wie viele Menschen mit einer Facebook-Seite interagieren und eine «Story» kreieren, z.B. indem sie einen Post «liken», teilen oder kommentieren. Die untenstehende Grafik vergleicht die Interaktivität (durchschnittliche Anzahl «People talking about this» pro Woche) mit der Aktivität (durchschnittliche Anzahl Posts pro Woche). Die Grösse der Punkte entspricht der Anzahl Likes einer Page. Die Streuung der Parteien deutet darauf hin, dass es einen positiven Zusammenhang gibt: Je aktiver eine Partei, umso mehr Reaktionen bekommt sie von ihren Anhängern.

Rechtspopulisten im Vorteil?

Allerdings sind nicht alle Parteien gleich effizient. Mit Abstand am meisten Reaktionen auf ihre Page und Posts erhält die SVP – und dies mit einer eher durchschnittlichen Aktivität. Das hat natürlich einerseits mit ihrer grossen Anzahl Page-Likes zu tun: Je mehr Likes, umso mehr Leute sehen einen Post, umso grösser ist die Chance auf eine höhere Anzahl Reaktionen. Andererseits zeigen wissenschaftliche Studien, dass rechts-populistische Parteien auch in anderen Ländern eine überdurchschnittlich grosse Anhängerschaft auf Social Media haben und diese zudem aussergewöhnlich aktiv ist.[6] Dies erklärt auch, warum die Lega als sehr kleine Partei vergleichsweise sehr viele Facebook-Likes hat und ebenfalls relativ effizient ist. So erzielt sie mit durchschnittlich weniger als zwei Posts pro Woche ähnlich viele Reaktionen wie die FDP mit ungefähr fünf Beiträgen pro Woche. Auch die SP ist mit ihren Posts ziemlich erfolgreich. Die Grünen und die CVP hingegen werden für ihre überdurchschnittlich hohe Aktivität nicht belohnt.

Talkabout und Anzahl Posts im Vergleich

Für Twitter gibt es keine direkt vergleichbare Kennzahl wit «talking about».[7] Aber es scheint auch hier einen Zusammenhang zwischen Aktivität und Popularität zu geben: Parteien, die häufiger tweeten, haben auch mehr Follower (oder umgekehrt…). Hier hat jedoch eindeutig die SP die Nase vorn, gefolgt von der GLP. FDP, Grüne und CVP sind zwar aktiver, gewinnen damit aber viel weniger Follower.

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Je grösser ein Punkt, desto mehr Likes hat die Partei auf Facebook.

Schliesslich sind klare Unterschiede zwischen Facebook und Twitter zu erkennen: Der Erfolg der Parteien unterscheidet sich stark je nach Plattform. Die letzte Grafik vergleicht die Anzahl Facebook-Likes mit der Anzahl Twitter-Follower. Die Grösse der Punkte widerspiegelt die Wahlanteile der Parteien 2011. Während auf Twitter – wie auch das SRF zum Schluss kam – die linken Parteien im Vorteil sind, geben auf Facebook eher die Rechten den Ton an – allen voran die SVP. Dies hat wahrscheinlich mit den unterschiedlichen Nutzerstrukturen der beiden Plattformen zu tun. Der durchschnittliche Twitter-Nutzer ist jünger, höher gebildet und hat einen höheren sozio-ökonomischen Status als die Durchschnittsbevölkerung.[8] Die wohl wichtigste Ansprechgruppe für Schweizer Politiker auf Twitter sind ausserdem Journalisten und weniger (potenzielle) Wähler.[9] Facebook hingegen ist in der allgemeinen Bevölkerung beliebter und hat eine viel breitere Nutzerbasis.[10]

Followers und Likes im Vergleich
Je grösser der Punkt, desto grösser ist der Wahlanteil.

Im Vergleich zu den letzten Wahlen 2011 hat die Bedeutung der Social Media eindeutig zugenommen. Die Facebook Likes der Parteiaccounts haben sich in den letzten vier Jahren bei den meisten Parteien vervierfacht. Die Twitter-Followers sind teilweise sogar um das Zehnfache angestiegen. Ausserdem haben die bürgerlichen Parteien stark aufgeholt. Während die SP bei den letzten Wahlen noch sowohl Twitter als auch Facebook dominierte, wurde sie auf letzterem mittlerweile klar von der SVP überholt. Insgesamt haben sich die Zahlen der Wählerstärke der Parteien angenähert. Die sozialen Medien, die zu Beginn noch speziell als Chance für kleine Parteien angesehen wurden, widerspiegeln heute mehrheitlich die bestehenden Machtverhältnisse – auch wenn es deutliche Unterschiede zwischen Facebook und Twitter gibt. Twitter ist dabei nach wie vor eher das Medium der Linken und der politischen «Underdogs».

[1] Foto: Dean Meyers|Flickr.

[2] Social Media wird überschätzt, meint dieser Artikel.

[3] Die Daten stammen aus einen Forschungsprojekt unter der Leitung von Dr. Ulrike Klinger am IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Universität Zürich.

[4] Zu den Twitter-Königen geht es hier.

[5] People talking about this, here.

[5] vgl. z.B. Bartlett, Jamie, Jonathan Birdwell, and Mark Littler. The New Face of Digital Populism. London: Demos, 2011.

[6] Larsson, Anders Olof. “Going Viral? Comparing Parties on Social Media during the 2014 Swedish Election.” Convergence: The International Journal of Research into New Media Technologies, no. Published online before print. (April 2, 2015): 1–16.

[7] Die Anzahl Retweets/Favorites pro Tweet wurden leider nicht erhoben.

[8] Duggan, Maeve, Nicole B. Ellison, Cliff Lampe, Amanda Lenhart, and Mary Madden. “Demographics of Key Social Networking Platforms.” Pew Research Center: Internet, Science & Tech, 2015. Link.

[9] Rauchfleisch, Adrian, Metag, Julia. «Sag es kurz und prägnant. Twitter als kommunikativer Marktplatz für Volksvertreter und Journalisten.» NZZ Webpaper 2015. Link.

[10] Klinger, Ulrike. “Mastering the Art of Social Media.” Information, Communication & Society 16, no. 5 (June 1, 2013): 717–36.