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Die politische Grosswetterlage: Bewölkt für Grüne und GLP, sonnig für die FDP?

Im Kanton Zürich brauchte die FDP 20 Jahre, um auf den Gewinnerpfad zurück zu finden. Die populärste These ist, dass diese Entwicklung mit der Themenkonjunktur zusammenhängt. Lässt sie sich bestätigen?

Die ökologischen Kräfte zählen bisher zu den Verlierern im Wahljahr 2015. Die kantonalen Wahlen von Zürich sind diesbezüglich keine Ausnahme. Auf der anderen Seite ist es der FDP in allen drei kantonalen Wahlgängen gelungen, Stimmanteile hinzuzugewinnen. So weit so bekannt. Natürlich haben die unterschiedlichen Ausgangslagen und die verschiedenen Wahlkämpfen gewisse Erklärungskraft. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das geschlossene Auftreten der bürgerlichen Parteien im Kanton Baselland oder die vom Elektorat anscheinend als ungenügend eingeschätzte Performanz des grünen Regierungsrates Graf in Zürich.[1] Dies mag den Ausgang der jeweiligen Legislativwahlen beeinflusst haben. Jedoch stellt sich gerade im Hinblick auf die Nationalratswahlen im Herbst, ob es kantonsübergreifende Ursachen für die Veränderungen der Parteistärken gibt.

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Eigene Darstellung. Quellen: Statistisches Amt Kanton Zürich und Bundesamt für Statistik.

Vergleichen Sie Parteistärke der FDP bei den Kantonsratswahlen 2011 mit jenen von 2015. Ziehen Sie hierzu den Slider nach links oder rechts. Je dunkler eine Gemeinde eingefärbt ist, desto stärker ist die Partei.

Das Wahlbarometer gibt mögliche Auskünfte

Sehr oft wird in diesem Zusammenhang auf die veränderten politischen Prioritäten verwiesen. Die kantonalen Wahlgänge vor vier Jahren fanden alle mehr oder weniger kurz nach dem Fukushima-Unglück im März 2011 statt. Im Wahlbarometer des Instituts GfS Bern vom Juni 2011 kam die Kategorie «Umwelt» bei der Frage «Welches ist Ihrer Meinung nach das dringendste Problem, das die schweizerische Politik heute lösen soll?»  aufsummiert auf 43% (erste und zweite Nennung). Damit war in diesem Politikfeld der empfunde Problemdruck am grössten. Parteien, die einen Atomausstieg befürworten, dürften davon profitiert haben. Im Wahlbarometer vom März 2015 wird der (empfundene) Problemdruck differenzierter abgefragt, aber selbst wenn wir alle auch nur irgendwie mit ökologischen Kernanliegen verbundenen Anliegen addieren, kommen wir nur noch auf 28%.[2] Das sind 15 Prozentpunkte weniger, als dies 2011 der Fall war. Hinzu kommt, dass wir so den Anteil der Personen, die mindestens eine der ökologischen Antwortkategorien gewählt haben, aufgrund der doppelten Antwortmöglichkeit ziemlich sicher überschätzen.

Kategorien, welche die Umwelt als wichtiges Handlungsfeld angeben, kommen nur noch auf 28%.

Anders als 2011 ist das Überthema dieses Jahr die Migrationspolitik (49%), gefolgt von EU nahen Themen (24%). Wobei bei unter letzterer Kategorie sowohl die Euro-Krise, die Bilateralen als auch weitere EU betreffende Antworten zusammengefasst sind. Dies ist symptomatisch, denn seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative befindet sich die Schweiz in einer Phase verstärkt empfundener Unsicherheit. Dem Wirtschaftsstandort Schweiz weht momentan ein rauer Wind entgegen. Die bilateralen Verträge stehen auf einem unsicheren Fundament und mit dem Wegfallen des Euro-Mindestkurses haben sich wirtschaftliche Unsicherheiten zusätzlich akzentuiert. Die Partei, die aus dem empfundenen Problemdruck Kapital zu schlagen scheint, ist die FDP: Offenbar sind Sorgen um den Arbeitsplatz wichtiger als Themen des Umweltschutzes. Wenn die Zukunft des Werkplatzes Schweiz auf dem Spiel steht, ist deren Kernanliegen – sprich, möglichst wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen – hoch im Kurs.[3]  Die veränderte Interessens-, Salienz-, Präferenz- oder Prioritätenlage erkennt man auch anhand der Google-Trends Daten.

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Natürlich gibt es noch eine Vielzahl anderer möglicher Ursachen für die jüngsten Veränderungen der Parteienstärken. Vor allem müssen die tieferen Stimmanteile von GLP und GPS nicht diesselbe Grundlage haben. Angesichts der jüngsten Veränderungen bei den Parteistärken scheint es sich jedoch zu lohnen, für das Kommentieren von Wahlergebnissen den folgenden Satzbausstein ganz fett ins Notizenheft zu schreiben: «It’s the [*insert current event here*], stupid!».

[1] Der Artikel zur Exit-Umfrage vom Tages-Anzeiger: «Was Graf die Wiederwahl kostete».

[2] Dabei handelt es sich um die vier Kategorien Umwelt, Kernenergie/Ernergiewende, Bevölkerungswachstum/Mobilität/Zersiedelung, und Verkehr/Raumplanung, welche jeweils als wichtigstes oder zweitwichtigstes Problem genannte werden konnten.

[3] Charles Lewsinky widerspricht dieser These, denn der Mythos, dass die FDP eine Wirtschaftspartei sei, habe sich aufgelöst. Das Interview finden Sie hier: «Im Zweifelsfall wählt man bei uns immer Schneider-Ammann, egal in welcher Partei er ist».

[4] Passing Storm von Flickr/Roadsidepictures.

Gibt der Kanton Zürich den Ton an? Hier geht es zum Artikel.

Hier geht es zum Media-Monitor der Regierungsratswahlen im Kanton Zürich.

Hier finden Sie Wähleranteile (2011) auf Gemeindeebene des Kantons Zürich.

Hier finden Sie alles rund um die Stimmkraftausschöpfung.

Was die Zürcher Wahlen für die kommenden Nationalratswahlen bedeuten

Die Zürcher und Zürcherinnen haben ihre Regierung und ihr Parlament gewählt. Die Resultate sind bekannt. Doch was lässt sich aus diesen Zahlen für die Nationalratswahlen herauslesen? Der folgende Beitrag geht dieser Frage nach.

Nach den Wahlen ist bekanntlich vor den Wahlen. Dies gilt vor allem für die Zürcher Wahlen, die jeweils ein knappes halbes Jahr vor den Nationalratswahlen stattfinden. Kaum sind deshalb die Ergebnisse der Zürcher Wahl bekannt, beginnen die Spekulationen darüber, was dies für die kommenden nationalen Wahlen bedeuten könnte. Tatsächlich sind die Zürcher Wahlergebnisse eine durchaus brauchbare Prognosebasis für die jeweils ein halbes Jahr später folgenden Nationalratswahlen (siehe Box). Nur ein Beispiel: Bei den letzten neun Wahlen stimmte der Zürcher SVP-Trend mit demjenigen bei den Nationalratswahlen überein. Etwas einfacher ausgedrückt: Legte die SVP bei den Zürcher Kantonsratswahlen zu, gewann sie auch bei den Nationalratswahlen Stimmen – und zwar schweizweit [sic] und nicht bloss im Kanton Zürich. Verlor sie hingegen Wähler im Kanton Zürich (zuletzt 2011), setzte es auch bei den Nationalratswahlen eine Niederlage ab. Wie gesagt, bei den letzten neun Wahlen war dies immer so. Eine beeindruckende Trefferquote – insbesondere, wenn man bedenkt, dass sich die Prognose knapp sechs Monate im Voraus machen lässt.

Was lässt sich nun aus den Ergebnissen für die Nationalratswahlen 2015 herauslesen? Diese Frage kann (für einmal) statistisch beantwortet werden. Es braucht demnach keine wilden Spekulationen, denn es liegen «harte Fakten» vor. Diese harten Fakten bilden die Ergebnisse der Zürcher Kantonsratswahlen und der Nationalratswahlen (schweizweit) seit 1955. Unter die Lupe genommen haben wir dabei die Veränderung der Wählerstimmenanteile im Vergleich zur letzten Wahl. Es geht uns in diesem Beitrag demnach nicht um die exakten Wählerstimmenanteile, sondern in erster Linie um den Trend, d.h., legt eine Partei zu oder verliert sie Stimmen. In einem ersten Schritt haben wir ein ganz einfaches Regressionsmodell gerechnet, mit welchem wir die Prongosetauglichket der Zürcher Kantonsratswahlen für die nationalen Wahlen schätzten. Dieses Modell enthält nur zwei Variablen: Das Ergebnis bei den Kantonsratswahlen als Prädiktor und das Ergebnis bei den Nationalratswahlen als Explanandum. Zugegeben, ein sehr einfaches Modell. Aber es entspricht genau der Frage, die häufig gestellt wird: Was bedeuten die Zürcher Wahlen für die Nationalratswahlen? Auf der Grundlage dieses Modells können in einem zweiten Schritt die Ergebnisse der kommenden Herbstwahlen geschätzt werden.

Der besseren Übersicht willen, präsentieren wir zunächst einmal die Prognosen für die sieben wählerstärksten Parteien in einer Übersicht, bevor wir – weiter unten – die Trends für die einzelnen Parteien gesondert aufzeigen. Die Prognosen basieren, wie gesagt, auf den Zürcher Ergebnissen, die historisch betrachtet eine Trefferquote von rund 80 Prozent aufweisen – was notabene für eine ziemlich hohe Prognosegüte spricht. Bei der BDP und der GLP ist zu bedenken, dass uns für die Prognose gerade mal zwei (GLP) bzw. ein Wert (BDP) zur Verfügung standen. Wenn die Parteien ihre “Zürcher Form” bis zu den Herbstwahlen halten können – und das tun sie, statistisch gesprochen, auch ziemlich häufig – dann werden die FDP und die SVP zulegen, die SP bleibt stabil, die anderen Parteien verlieren.

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Die nachfolgenden Trendgrafiken zeigen im Übrigen auch an, wie verlässlich diese Schätzungen in der Vergangenheit waren. Wenn man die Schätzlinie mit dem effektiven Ergebnis vergleicht, fällt beispielsweise bei der SP auf, dass sie 1979 auseinanderfielen: Aufgrund des positiven Kantonsergebnisses in Zürich hätte unser Modell der SP damals auch einen Zuwachs an Stimmen bei den Nationalratswahlen vorausgesagt, was aber nicht zutraf. Das Modell kann sich demnach – wie jede Schätzung – auch irren. Aber bemerkenswert ist auch, dass wir bei der SP bis ins Jahr 1979 zurückgehen müssen, um eine solche Divergenz zu finden. Aber immerhin: Diese Divergenzen machen auch deutlich, dass die Ergebnisse der Zürcher Wahlen die Nationalratsergebnisse nicht in der Form eines Naturgesetzes prädeterminieren. Schliesslich verbleiben noch rund fünf Monate bis zur nationalen Wahl. Unvorhergesehenes kann noch geschehen, Trends können noch umgekehrt werden. Die GLP beispielsweise hat in der laufenden Legislaturperiode bis Anfang 2015 bei fast jeder kantonalen Wahl zugelegt, hat aber bei den letzten drei kantonalen Wahlen Stimmen eingebüsst.

Aber trotz dieser Einschränkungen ist der Kanton Zürich ein ziemlich verlässlicher Stimmungstest für die nationalen Wahlen. Nicht zuletzt deswegen, weil ein Sechstel aller nationalen Stimmberechtigten aus dem Kanton Zürich stammen. Die nachfolgenden Grafiken zeigen das auch eindrücklich. Deshalb ist eine stille Vorfreude bei den Zürcher Wahlsiegern von 2015 durchaus gerechtfertigt.

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Gibt der Kanton Zürich den Ton an? Hier geht es zum Artikel.

Hier geht es zum Media-Monitor der Regierungsratswahlen im Kanton Zürich.

Hier finden Sie Wähleranteile auf Gemeindeebene des Kantons Zürich.

Hier finden Sie alles rund um die Stimmkraftausschöpfung.

Wie die Parteistärken berechnet werden, finden Sie hier.

Zu den Wahlen im Kanton Zürich

Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich wählen am 12. April eine neue Regierung und ein neues Parlament. Neben den Monitoren für den Kanton Baselland und Luzern haben wir auch für die Zürcher Regierungsratswahlen einen Media-Monitor aufgeschaltet. Täglich aktualisiert zeigen wir sowohl die Aktivität der Kandidaten auf Twitter als auch die Anzahl Artikel in Printmedien, in denen die Regierungsratskandidaten zumindest einmal erwähnt wurden. Weiter stellen wir die Anzahl der Seitenaufrufe des Wikipedia-Profils der Kandidaten zur Verfügung. Anhand der aktualisierten Grafik sehen Sie, welche Kandidatin und welcher Kandidat über oder unter dem Durchschnitt liegt. Insbesondere für Twitter und Wikipedia gilt, dass nur dargestellt werden kann, was auch verfügbar ist. Einzelne Kandidaten verfügen über keinen Wikipedia-Eintrag (meist Herausforderer) oder kein Twitter-Konto (betrifft vor allem Amtsinhaber).

Hier geht es zum Media-Monitor.

 Hier finden Sie alles rund um die Stimmkraftausschöpfung.

Damit wir die Kantonsratswahlen nicht aus dem Auge verlieren, zeigen wir, in welcher Gemeinde die Parteien auf welche Unterstützung zählen können – dies alles auf der Basis der Kantonsratswahlen 2011. Je dunkler eine Gemeinde eingefärbt ist, desto mehr Wähler hat die entsprechende Partei in dieser Gemeinde. Unterhalb der Karten finden sich Histogramme. Diesen lässt sich entnehmen, in wie vielen Gemeinden eine Partei wie stark ist. So sieht man am Beispiel der EVP, dass die Partei in den meisten Gemeinden einen Wähleranteil zwischen 0 und 10 Prozent aufweist.

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Wähleranteile in den Zürcher Gemeinden. Quelle: Statistisches Amt Kt. Zürich.

 

Regierungsratswahlen: Schwellenwert des absoluten Mehrs

Im Kanton Zürich wird das absolute Mehr auf der Basis der gültigen Kandidatenstimmen errechnet. Deshalb reichte es bei den letzten drei Zürcher Gesamterneuerungswahlen aus, wenn der Name eines Kandidaten im Schnitt auf etwas mehr als 30 Prozent aller Wahlzettel stand. Aus demselben Grund waren in der jüngeren Vergangenheit auch keine zweiten Wahlgänge nötig.

Regierungsratswahlen: Stimmkraftausschöpfung

Das absolute Mehr ist im Kanton Zürich von der Stimmkraftausschöpfung abhängig. Würden beispielsweise alle Wähler und Wählerinnen exakt sieben Namen auf den leeren Wahlzettel schreiben, würde die Höhe des absoluten Mehrs 50 Prozent (+1) der Wahlzettel betragen. Das ist aber längst nicht immer der Fall. Genauer gesagt: Die durchschnittliche Stimmkraftausschöpfung im Kanton Zürich beträgt für die letzten drei Gesamterneuerungswahlen 64.4 Prozent. Das heisst: Im Schnitt liessen die Wähler und Wählerinnen etwa zweieinhalb Zeilen leer.

Parteistärke aufgrund der Kantonsratswahlen (kantonal)…

Vergleicht man die Parteienstärke über die Zeit, so lassen sich nationale Tendenzen auch auf kommunaler Ebene nachzeichnen. Die SVP vermochte ihre Stärke seit 1991 von ca. 19 auf knapp 30 Prozent auszubauen, während die FDP zwischen 1991 und 2011 um 10 Prozentpunkte geschrumpft ist und 2011 die neuen Mitteparteien auftauchen. Im linken Lager konnte die SP das Niveau von knapp 20 Prozent seit Anfangs 90er Jahre halten, derweil die Grünen in diesem Zeitraum knapp 1 Prozentpunkt zugelegt haben.

 

Quelle: Bundesamt für Statistik. Eigene Darstellung.

 

… und aufgrund der Nationalratswahlen (kantonal)

Quelle: Bundesamt für Statistik. Eigene Darstellung.