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Tag: Kanton Zürich

Zürich sagt Nein: Finanzierung der Kinderbetreuung soll nicht Unternehmenssache sein

Linke Anliegen hatten es schwer an diesem Abstimmungssonntag – auch auf kantonaler Ebene. Im Kanton Zürich scheiterte die AL-Initiative «Für eine bezahlbare Kinderbetreuung» mit einem Ja-Anteil von nur gerade 29,5 Prozent deutlich. Einzig die Stadtzürcher Kreise 3, 4 und 5 sagten Ja. Ein erster Blick in die Daten zeigt, dass Ideologie wohl entscheidender war als Betroffenheit.

Die Initiative forderte die Einrichtung eines Betreuungsfonds, der durch Beiträge von Arbeitgebenden und Selbstständigerwerbenden finanziert wird und der finanziellen Unterstützung von familienergänzenden Betreuungsangeboten dient. Unterstützt wurde sie durch AL, SP, GP, BDP, EVP und dem Gewerkschaftsbund. Dagegen waren SVP, FDP, CVP, EDU und der Gewerbeverband, während die GLP Stimmfreigabe beschlossen hatte. Auch Kantonsrat und Regierungsrat lehnten die Volksinitiative ab mit der Begründung, dass die geltende Regelung, wonach die Gemeinden für ein bedarfsgerechtes Angebot an familienergänzender Betreuung sorgen, sich bewährt habe. Daneben wurde von den Gegnern vor allem argumentiert, dass die Vorlage wirtschaftsfeindlich sei und vor allem KMU und damit Arbeitsplätze gefährdet hätte.

Für eine bezahlbare Kinderbetreuung

Eine erste Auswertung der Abstimmungsergebnisse auf Gemeindeebene zeigt, dass für die Ablehnung der Initiative wohl hauptsächlich ideologische Gründe und weniger die Betroffenheit eine Rolle spielten.[2] Die obenstehende Abbildung zeigt, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen den Ja-Anteilen und dem SVP-Wähleranteil der letzten Nationalratswahlen in den Gemeinden gibt. Das heisst, je mehr SVP-Wähler in einer Gemeinde umso klarer wurde sie abgelehnt. Umgekehrt verhält es sich mit dem SP-Wähleranteil: Je mehr SP-Wähler in einer Gemeinde umso höher die Zustimmung zur Initiative.

Je höher das Medianeinkommen, umso tiefer die Zustimmung

Faktoren wie die Anzahl Krippenplätze pro Gemeinde oder die Höhe der Subventionen pro Kind, die allenfalls einen Rückschluss auf die direkte Betroffenheit zulassen würden, hatten keinen Einfluss auf den Stimmentscheid. Hingegen findet man eine negative Korrelation der Ja-Stimmen mit dem Medianeinkommen in den Gemeinden: Je höher das Medianeinkommen, umso tiefer die Zustimmung. Dies ist insofern logisch, da die Vorlage laut den Initianden vor allem für Familien mit tiefem Einkommen eine bezahlbare Kinderbetreuung hätte sichern sollen.

KrippenkarteAusschlaggebend waren aber schliesslich wohl eher allgemeine Einstellungen in Bezug auf Familienpolitik und das Familienbild, wie der Zusammenhang mit den Wähleranteilen zu den verschiedenen Parteien zeigt. Dabei verlief die Konfliktlinie nicht unbedingt entlang der ökonomischen links-rechts Achse, wie das Hauptargument der Gegner, die Wirtschaftsfeindlichkeit der Vorlage, hätte vermuten lassen.

Dies zeigt sich darin, dass die FDP-Wähleranteile einen ebenfalls signifikanten Zusammenhang mit den Ja-Anteilen ergeben, allerdings ist der Zusammenhang im Gegenteil zur SVP positiv. Entscheidend waren deshalb wohl eher Wertvorstellungen entlang der kulturellen Achse – wie auch bei anderen Vorlagen zur Familienpolitik.[3] Bei einem solch geringen Ja-Stimmenanteil muss man diese Erklärungen allerdings etwas mit Zurückhaltung betrachten. Schliesslich fand die Initiative in allen Gemeinden und allen Wählerschichten eine sehr tiefe Zustimmung.

[1] Foto: Flickr | Chhaya Kapadia
[2] Aufgrund von fehlenden Daten konnten für die Analyse nur 164 der 171 Zürcher Gemeinden berücksichtigt werden.
[3] Mehr zu anderen Familienpolitikvorlagen lesen Sie hier.Klicken Sie sich durch die Zürcher Gemeinden. Powered by Kanton Zürich.

Der zweite Wahlgang 2015 im Kanton Zürich – wird erneut der «Klick-König» in den Ständerat durchmarschieren?

In früherern Blogposts hatten wir uns bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich aus den «digitalen Spuren» des kollektiven Informationsverhaltens Rückschlüsse auf das Erfolgspotenzial einer Kandidatur ziehen lassen. Die Ständeratswahl 2015 im Kanton Zürich bietet sich an, um dieser Frage erneut nachzugehen. Gewinnt auch im zweiten Wahlgang der «Klick-König»?

Daniel Jositsch: nicht nur Panaschier- sondern auch Zürcher Klick-König

Im ersten Wahlgang der Zürcher Ständeratswahl 2015 hat Daniel Jositsch als einziger das absolute Mehr erreicht und somit im ersten Anlauf den Sprung ins «Stöckli» geschafft. Mit einem Durchmarsch des Sozialdemokraten wurde im Vorfeld nicht gerechnet, obwohl er als Favorit gehandelt wurde. Daniel Jositsch hat in den zwei Wochen vor dem Wahlsonntag die meisten Wikipedia-Aufrufe verzeichnet. Sein Eintrag verzeichnete beträchtliche 28% des Gesamttraffic all dieser Kandidaten. Er verzeichnete beträchtliche 10% mehr als der zweitplatzierte Ruedi Noser. Am Wahlsonntag ging es für ihn dann per «Schnellzug» nach Bern ins Stöckli.

Lies dies das hohe Interesse an seiner Person, welches sich in der Wikipedia-Nutzungsstatistik wiederspiegelt, erahnen? Natürlich mahnen wir zur Vorsicht, wenn es um die Vorhersage von Wahlresultaten anhand solcher Daten geht. Wie bereits erwähnt verfolgen wir in erster Linie experimentelle Zwecke. Da im Kanton Zürich bei Ständeratswahlen lediglich leere Listen und keine offiziellen Wahlempfehlungen mit den Angaben zu den Kandidierenden in die Haushalte flattern, ist es jedoch möglich, dass die «Klicks» bis zu einem gewissen Grad auch Aufschluss über die Wahlabsichten bietet – zumindest theoretisch.

Umfrage SR: Was denken Sie, wer gewinnt den zweiten Wahlgang in Zürich?

  • Bastien Girod (60%)
  • Hans-Ueli Vogt (4%)
  • Ruedi Noser (36%)
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Wo findet der zeitgenössisch politisch interessierte Bürger Informationen zu Wohnort, Partei und Beschäftigung seines Wunschkandidaten, wenn nicht via Google bzw. auf Wikipedia? Gut möglich, dass manch potentieller Wähler vor dem Ausfüllen des Wahlzettels googelt und den Wikipedia-Eintrag des Kandidaten konsultiert. Die Abrufstatistiken vor dem ersten Wahlgang lassen dies durchaus als plausibel erscheinen. Die folgende Grafik zeigt die Anteile der Kandidaten in den zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang. Unangefochtener Spitzenreiter ist Daniel Jositsch. Auf der zweiten Position folgt Noser. Einzige Abweichung in der Reihenfolge: Hans-Ueli Vogt.

Der zweite Wahlgang wird zum Thriller

Daniel Jostischs direkter Sprung in den Ständerat trägt dazu bei, dass sich die Ausgangslage für den zweiten Wahlgang äusserst spannend gestaltet. Im Rennen bleiben Ruedi Noser (FDP), Hans-Ueli Vogt (SVP) und Bastien Girod (Grüne). SVP Präsident Toni Brunners Angebot eines bürgerlichen Kuhhandels – Vogt würde zugunsten von Noser in Zürich verzichten, wenn Philipp Müller im Aargau dem SVP-Kandidaten den Vorzug lassen würde – ist bei der FDP Führung auf wenig Gegenliebe gestossen. Daher bleibt das Rennen offen. Noser wird zwar als Favorit gehandelt doch Girod holt auf, zumindest laut Wahlbörse des Tagesanzeigers.

Ein rein linkes Zürcher Ständeratsduo wäre ein politisches Novum und ist sicherlich nicht das wahrscheinlichste Szenario. Entscheidend wird sein, wem die Stimmen der nicht mehr antretenden Kandidaten zufliessen werden. Da im zweiten Wahlgang nur noch das relative Mehr zählt, bleibt jedoch wirklich alles möglich, je nachdem wer die meisten Stimmen der ausgeschiedenen bzw. gewählten Kandidaten auf sich vereinen kann.

Schafft es auch im zweiten Wahlgang der Kandidat mit dem «Klick-Mehr» INS Stöckli?

Die folgenden Grafiken zeigen die digitale Augangslage bis zum 14. November 2015. Noser liegt momentan noch in Führung. Doch sein Vorsprung ist klein. Er liefert sich ein veritables Kopf-an-Kopf-Rennen mit Girod.

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Vom verschwindenden Dominoeffekt bei Politikerinnen

Frauen sind weltweit politisch unterrepräsentiert. Die Schweiz bildet da keine Ausnahme. Lange Zeit ging man davon aus, dass jede in ein Amt gewählte Frau vielen nachfolgenden Politikerinnen den Weg ebnet und sich der Frauenanteil automatisch erhöht. Doch diese Annahme trifft nicht mehr zu: Nach einigen Jahren des stetigen Erfolgs stagniert die Zahl der Politikerinnen. Wir zeigen Entwicklungen und warten mit einer App auf.

OHNE KANDIDATINNEN KEINE GEWÄHLTE POLITIKERINNEN

Die Wirtschaftselite gleicht nach wie vor einer Männerdomäne. Sowohl im Topmanagement wie auch in Verwaltungsräten sind Frauen bislang noch selten anzutreffen. Die Problematik trifft aber nicht nur im Falle dieser Gremien zu, vielmehr sind Frauen eigentlich fast überall auf der Welt auch politisch unterrepräsentiert.[2] Mittlerweile gilt das Fehlen von gewillten Kandidatinnen als eine der grössten Hürden auf dem Weg zu einer ausgeglicheneren Geschlechtervertretung in der Politik. Zwar finden sich noch immer strukturelle Nachteile für Frauen in gewissen politischen Institutionen und Wahlsystemen, doch die Angebotsseite – die Tatsache, dass weniger Frauen als Männer kandidieren – ist auch für die Untervertretung mitverantwortlich.

Trotz signifikantem Fortschritt in den letzten Jahrzehnten bleiben Frauen in der Politik unterrepräsentiert.- Fabrizio Gilardi

AUF JEDE GEWÄHLTE POLITIKERIN FOLGEN KANDIDATINNEN

Eine erfolgreiche Frauenkandidatur ist nicht nur der Anfang einer Politikerinnenkarriere. Eine Frauenkandidatur hat auch eine indirekte Wirkung: Sie motiviert andere Frauen in die Politik zu gehen und diese wiederum erwirken ebenfalls weitere Frauenkandidaturen. Dieser Effekt folgt einem klaren räumlichen Muster.

Wird eine Kandidatin in ein Amt gewählt, so dient sie zum einen direkt als Vorbild für Frauen in derselben politischen Gemeinde. Ihr Erfolg strahlt aber auch auf benachbarte Gemeinden aus. Eine Politikerinnenkarriere, die in einer Gemeinde mit der erfolgreichen Wahl beginnt, führt dazu, dass sich Frauen in Nachbarsgemeinden in den nächsten Wahlen eher als Kandidatinnen aufstellen lassen. Die Motivation von Frauen, sich politisch zu betätigen, schwappt also von einer Gemeinde zu benachbarten Gemeinden über.

In den grau eingefärbten Gemeinden steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei den Wahlen 1974 eine Frau kandidiert. Eigene Darstellung.
DER DOMINOEFFEKT

Am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich hat sich Fabrizio Gilardi mit dieser Art Dominoeffekt befasst.[3] Der Professor für Policy Analyse untersuchte, wie die Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz ab 1971 von Wahl zu Wahl mehr Frauen in der Politik führte. Seine Studie zeigt es eindrücklich: Jede gewählte Frau in einer Gemeinde im Kanton Zürich zog in der nächsten Wahlperiode in zehn Prozent der umliegenden Gemeinden eine zusätzliche Kandidatin für dasselbe Amt mit sich.

Wurden Sie schon einmal mit politischen Botschaften in den sozialen Medien konfrontiert?

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Doch dieser Effekt hält nur für ein paar Wahlperioden an. Im Kanton Zürich verschwindet er um das Jahr 1990. Weibliche Vorbilder scheinen ab diesem Zeitpunkt plötzlich ihre Ausstrahlungskraft zu verlieren. Weshalb ist der Dominoeffekt nicht nachhaltig?

IST EIN VIERTEL FRAUEN GENUG GLEICHBERECHTIGUNG?

Gilardi macht dafür zwei Gründe verantwortlich: Zum einen spielen externe Effekte nur dann eine Rolle, wenn sich bei einer Wahl keine Amtsinhaberin zur Wiederwahl aufstellen lässt. Erst-kandidierende Frauen werden schliesslich eher als Pionierinnen wahrgenommen als bereits etablierte Amtsinhaberinnen. Da sich die politische Repräsentation von Frauen jedoch kontinuierlich verbessert hat, wurden diese Fälle im Verlauf der Zeit seltener. Zum anderen hat sich der Frauenanteil bei Wahlen in die lokale Exekutive bei einem Fünftel bis einem Viertel eingependelt. Offenbar führt dies bei der Bevölkerung, den Parteien und potentiellen Kandidatinnen zur Überzeugung, dass dieser Anteil für eine gleichberechtigte Vertretung beider Geschlechter in der Politik ausreichend ist. Die Politikwissenschaftlerin Sarah Bütikofer sieht darum auch die Parteien in der Pflicht:

Aus Sicht einiger Parteien gibt heute keine Notwendigkeit mehr, dran zu bleiben, denn es wurde ja einiges erreicht.- Sarah Bütikofer

Das Beispiel einer erfolgreichen Kandidatin kann andere Frauen motivieren, eine politische Karriere anzustreben, jedoch nur bis der Anteil der Frauen in der Politik als «genügend» wahrgenommen wird. Ob sich diese Wahrnehmung in Zukunft wieder ändern wird, das sei dahingestellt …

 

 

Auch zu diesem Artikel stellen wir eine Applikation zur Verfügung. Wählen Sie ein Jahr und einen Indikator aus, mit dem Sie die Karte des Kantons Zürich einfärben wollen. In welcher Gemeinde gab es am meisten Kandidatinnen oder in welcher Gemeinde wurden am meisten Frauen gewählt? Dies und mehr finden Sie hier.  

Die Resultate der zitierten Studie finden Sie auch auf dem persönlichen Blog von Fabrizio Gilardi. Von ebendiesem stammt auch das Zitat. Den Link zu den Daten finden Sie in der Applikation.

[1] Foto: «NR.80» von Fernand Rausser – Jean Ryniker, Fernand Rausser: Unsere Eidgenossenschaft, Mondo-Verlag, Lausanne, 1984. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons. Quelle.

[2] Mehr Daten finden Sie hier.

[3] Hier finden Sie die Studie von Fabrizio Gilardi.

Das Zitat von Sarah Bütikofer entstammt einem Artikel von srf.ch. Sie finden sowohl den Artikel als auch das Zitat hier im Original.

Die politische Grosswetterlage: Bewölkt für Grüne und GLP, sonnig für die FDP?

Im Kanton Zürich brauchte die FDP 20 Jahre, um auf den Gewinnerpfad zurück zu finden. Die populärste These ist, dass diese Entwicklung mit der Themenkonjunktur zusammenhängt. Lässt sie sich bestätigen?

Die ökologischen Kräfte zählen bisher zu den Verlierern im Wahljahr 2015. Die kantonalen Wahlen von Zürich sind diesbezüglich keine Ausnahme. Auf der anderen Seite ist es der FDP in allen drei kantonalen Wahlgängen gelungen, Stimmanteile hinzuzugewinnen. So weit so bekannt. Natürlich haben die unterschiedlichen Ausgangslagen und die verschiedenen Wahlkämpfen gewisse Erklärungskraft. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das geschlossene Auftreten der bürgerlichen Parteien im Kanton Baselland oder die vom Elektorat anscheinend als ungenügend eingeschätzte Performanz des grünen Regierungsrates Graf in Zürich.[1] Dies mag den Ausgang der jeweiligen Legislativwahlen beeinflusst haben. Jedoch stellt sich gerade im Hinblick auf die Nationalratswahlen im Herbst, ob es kantonsübergreifende Ursachen für die Veränderungen der Parteistärken gibt.

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Eigene Darstellung. Quellen: Statistisches Amt Kanton Zürich und Bundesamt für Statistik.

Vergleichen Sie Parteistärke der FDP bei den Kantonsratswahlen 2011 mit jenen von 2015. Ziehen Sie hierzu den Slider nach links oder rechts. Je dunkler eine Gemeinde eingefärbt ist, desto stärker ist die Partei.

Das Wahlbarometer gibt mögliche Auskünfte

Sehr oft wird in diesem Zusammenhang auf die veränderten politischen Prioritäten verwiesen. Die kantonalen Wahlgänge vor vier Jahren fanden alle mehr oder weniger kurz nach dem Fukushima-Unglück im März 2011 statt. Im Wahlbarometer des Instituts GfS Bern vom Juni 2011 kam die Kategorie «Umwelt» bei der Frage «Welches ist Ihrer Meinung nach das dringendste Problem, das die schweizerische Politik heute lösen soll?»  aufsummiert auf 43% (erste und zweite Nennung). Damit war in diesem Politikfeld der empfunde Problemdruck am grössten. Parteien, die einen Atomausstieg befürworten, dürften davon profitiert haben. Im Wahlbarometer vom März 2015 wird der (empfundene) Problemdruck differenzierter abgefragt, aber selbst wenn wir alle auch nur irgendwie mit ökologischen Kernanliegen verbundenen Anliegen addieren, kommen wir nur noch auf 28%.[2] Das sind 15 Prozentpunkte weniger, als dies 2011 der Fall war. Hinzu kommt, dass wir so den Anteil der Personen, die mindestens eine der ökologischen Antwortkategorien gewählt haben, aufgrund der doppelten Antwortmöglichkeit ziemlich sicher überschätzen.

Kategorien, welche die Umwelt als wichtiges Handlungsfeld angeben, kommen nur noch auf 28%.

Anders als 2011 ist das Überthema dieses Jahr die Migrationspolitik (49%), gefolgt von EU nahen Themen (24%). Wobei bei unter letzterer Kategorie sowohl die Euro-Krise, die Bilateralen als auch weitere EU betreffende Antworten zusammengefasst sind. Dies ist symptomatisch, denn seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative befindet sich die Schweiz in einer Phase verstärkt empfundener Unsicherheit. Dem Wirtschaftsstandort Schweiz weht momentan ein rauer Wind entgegen. Die bilateralen Verträge stehen auf einem unsicheren Fundament und mit dem Wegfallen des Euro-Mindestkurses haben sich wirtschaftliche Unsicherheiten zusätzlich akzentuiert. Die Partei, die aus dem empfundenen Problemdruck Kapital zu schlagen scheint, ist die FDP: Offenbar sind Sorgen um den Arbeitsplatz wichtiger als Themen des Umweltschutzes. Wenn die Zukunft des Werkplatzes Schweiz auf dem Spiel steht, ist deren Kernanliegen – sprich, möglichst wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen – hoch im Kurs.[3]  Die veränderte Interessens-, Salienz-, Präferenz- oder Prioritätenlage erkennt man auch anhand der Google-Trends Daten.

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Natürlich gibt es noch eine Vielzahl anderer möglicher Ursachen für die jüngsten Veränderungen der Parteienstärken. Vor allem müssen die tieferen Stimmanteile von GLP und GPS nicht diesselbe Grundlage haben. Angesichts der jüngsten Veränderungen bei den Parteistärken scheint es sich jedoch zu lohnen, für das Kommentieren von Wahlergebnissen den folgenden Satzbausstein ganz fett ins Notizenheft zu schreiben: «It’s the [*insert current event here*], stupid!».

[1] Der Artikel zur Exit-Umfrage vom Tages-Anzeiger: «Was Graf die Wiederwahl kostete».

[2] Dabei handelt es sich um die vier Kategorien Umwelt, Kernenergie/Ernergiewende, Bevölkerungswachstum/Mobilität/Zersiedelung, und Verkehr/Raumplanung, welche jeweils als wichtigstes oder zweitwichtigstes Problem genannte werden konnten.

[3] Charles Lewsinky widerspricht dieser These, denn der Mythos, dass die FDP eine Wirtschaftspartei sei, habe sich aufgelöst. Das Interview finden Sie hier: «Im Zweifelsfall wählt man bei uns immer Schneider-Ammann, egal in welcher Partei er ist».

[4] Passing Storm von Flickr/Roadsidepictures.

Gibt der Kanton Zürich den Ton an? Hier geht es zum Artikel.

Hier geht es zum Media-Monitor der Regierungsratswahlen im Kanton Zürich.

Hier finden Sie Wähleranteile (2011) auf Gemeindeebene des Kantons Zürich.

Hier finden Sie alles rund um die Stimmkraftausschöpfung.

Regierungsrätin dank Dignitas?

Der Regierungsrat des Kantons Zürich ist gewählt. An dessen Parteizusammensetzung hat der Zürcher Souverän eine bedeutende Änderung vorgenommen. Silvia Steiner konnte für die CVP den 2011 an die Grünen verlorenen Sitz zurückerobern. Wir schauen zurück auf die zwei wichtigsten Ereignisse des Wahlkampfs und gehen der Frage nach, inwiefern die Regierungszusammensetzung die Parteistärken widerspiegelt.

Ernst Stocker (SVP), Markus Kägi (SVP), Thomas Heiniger (FDP), Carmen Walker Späh (FDP), Mario Fehr (SP), Jacqueline Fehr (SP) sowie Silvia Steiner (CVP) werden in der Legislaturperiode 2015 bis 2019 die Geschicke des Kantons in die Hände nehmen. Nach einem spannenden Wahlkampf, der von einer Diffamierungskampagne gegen Silvia Steiner überschattet war, gelang es dieser, den bisherigen grünen Regierungsrat aus dem Amt zu verdrängen. Mit ganzen 8852 Stimmen Vorsprung auf Martin Graf (Grüne) eroberte sie den vier Jahre zuvor verlorenen Sitz für die CVP zurück. Damals wurde CVP-Magistrat Hans Hollenstein von Graf um 2328 Stimmen geschlagen.

Verhalf Kampagne gegen Steiner zu ihrem Wahlsieg?

Am 16. März sorgte ein Flugblatt gegen Silvia Steiner für grosse Furore: Dignitas-Gründer Ludwig Minelli bezeichnete darin die CVP-Vertreterin als inkompetente Staatsanwältin, erzkonservative Politikerin und radikale Sterbehilfe-Gegnerin. Diese Aktion ging aber klar nach hinten los; letztlich verhalf sie Silvia Steiner wahrscheinlich sogar zum Wahlsieg. Das Hauptproblem Steiners war nämlich ihre anfängliche Unbekanntheit im Zürcher Stimmvolk. Das Flugblatt verhalf ihr, diese zu überwinden. Dass das Interesse an der CVP-Politikerin tatsächlich massiv in die Höhe schnellte, zeigt die grosse Anzahl Wikipedia-Aufrufe ihres Profils nach Erscheinen des Flugblatts.

Tagi-Aufruf kann Graf nicht mehr retten

Res Strehle, Chefredaktor des Tagesanzeigers, rief in einem am 6. April erschienenen Leitartikel dazu auf, den grünen Regierungsrat zu unterstützen. Dieser Aufruf kam für Martin Graf allem Anschein nach zu spät. Der Tagi-Artikel reichte zwar für eine kleine Zunahme des Interesses an der Person des Grünen, entfaltete aber bei Weitem nicht die Wirkung, wie dies die Negativ-Kampagne gegen Steiner tat. Durch Verschieben des Sliders können die Unterschiede in den Wikipedia-Abfragen zu Silvia Steiner und Martin Graf sichtbar gemacht werden.

Steiners Erfolg ist insofern bemerkenswert, als dass sie mit der CVP eine Partei vertritt, welche einen kleineren Wähleranteil aufweist als jeweils die GLP und die Grünen. Dass eine Partei mit einem Wähleranteil von gerade mal 4.9% einen neuen Regierungsratssitz erobert, ist im Kanton Zürich ein politisches Novum. Silvia Steiner hat, Negativkampagne sei Dank, den Wahlkampf dominiert. Ohne die überdurchschnittliche Aufmerksamkeit, welche ihrer Person zukam, wäre dieser historische Erfolg wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

FDP, SP und CVP im Regierungsrat klar übervertreten

Der Vergleich der Anzahl Regierungsratssitze mit den tatsächlichen Wählerstärken der Parteien zeigt, welche Parteien in der Exekutive über- bzw. unterrepräsentiert sind. Würde sich die Parteistärke bei den Parlamentswahlen perfekt in der Regierungsratswahl widerspiegeln, so gäbe es pro 14.3% Stimmenanteil einen Regierungssitz. Der wählerstärksten Zürcher Partei, der SVP, kämen somit 2.1 Sitze zu. Damit ist sie mit ihren zwei wiedergewählten Vertretern von allen Parteien am adäquatesten im Regierungsrat vertreten. Deutlich übervertreten wären nach diesen Gesichtspunkten FDP und SP: Die Differenzen zwischen deren Anteilen an Regierungsratssitzen und den jeweiligen Parteistärken betragen 10.7 respektive 9.3 Prozentpunkte. Obwohl die CVP als Kleinpartei im Kanton Zürich gerade mal einen Wähleranteil von 4.9% erreichte, stellt sie künftig eine Regierungsrätin. Damit gehört sie ebenfalls zu den Parteien, welche im Verhältnis mit ihrem Wähleranteil, überproportional stark an der Regierungsmacht beteiligt sein wird. Der CVP würden 0.34 Regierungsratssitze, abgerundet also keiner, zustehen. Auf ähnlich kleine Werte kommen die Kleinstparteien AL, EDU, BDP und EVP. Da keiner ihrer Vertreter in die Exekutive gewählt worden ist, entstehen hier verglichen mit deren Wählerstärken kleine Unterrepräsentationswerte.

Grüne Ansichten kommen zu kurz

Tendenziell untervertreten im neuen Regierungsrat sind allerdings die Grünliberalen und die Grüne Partei. Zwar haben beide Parteien gegenüber 2011 empfindliche Verluste erlitten, ihre exekutive Abwesenheit ist aber insofern auffällig, als sie (zusammengezählt) immerhin 14.9% Wähleranteil erreichen. Grüne Ansichten und Ideen werden es in der bevorstehenden Legislaturperiode folglich weniger oft auf die Regierungsagenda schaffen.

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Regierung widerspiegelt überwiegende Mehrheit der Wählerschaft

Als Mass der Repräsentationsgüte wird oft der Vergleich in der Regierung vertretener Parteien mit deren Wähleranteilen herangeführt. 2011 bis 2015 stellten die vier Parteien SVP, SP, FDP und Grüne sämtliche Regierungsräte. Damit waren 72.5% des Stimmvolkes in der Regierung vertreten. Durch die eben erfolgten Gesamterneuerungswahlen ist dieser Wert nur geringfügig zurückgegangen und beträgt neu 71.9%. Die neue Zusammensetzung der Regierung stimmt somit etwa zum selben Grade mit den Wähleranteilen überein wie in der Legislaturperiode 2011-2015.

 

Welche Kandidaten waren wann besonders gefragt? (Wikipedia-traffic)


 

Was die Zürcher Wahlen für die kommenden Nationalratswahlen bedeuten

Die Zürcher und Zürcherinnen haben ihre Regierung und ihr Parlament gewählt. Die Resultate sind bekannt. Doch was lässt sich aus diesen Zahlen für die Nationalratswahlen herauslesen? Der folgende Beitrag geht dieser Frage nach.

Nach den Wahlen ist bekanntlich vor den Wahlen. Dies gilt vor allem für die Zürcher Wahlen, die jeweils ein knappes halbes Jahr vor den Nationalratswahlen stattfinden. Kaum sind deshalb die Ergebnisse der Zürcher Wahl bekannt, beginnen die Spekulationen darüber, was dies für die kommenden nationalen Wahlen bedeuten könnte. Tatsächlich sind die Zürcher Wahlergebnisse eine durchaus brauchbare Prognosebasis für die jeweils ein halbes Jahr später folgenden Nationalratswahlen (siehe Box). Nur ein Beispiel: Bei den letzten neun Wahlen stimmte der Zürcher SVP-Trend mit demjenigen bei den Nationalratswahlen überein. Etwas einfacher ausgedrückt: Legte die SVP bei den Zürcher Kantonsratswahlen zu, gewann sie auch bei den Nationalratswahlen Stimmen – und zwar schweizweit [sic] und nicht bloss im Kanton Zürich. Verlor sie hingegen Wähler im Kanton Zürich (zuletzt 2011), setzte es auch bei den Nationalratswahlen eine Niederlage ab. Wie gesagt, bei den letzten neun Wahlen war dies immer so. Eine beeindruckende Trefferquote – insbesondere, wenn man bedenkt, dass sich die Prognose knapp sechs Monate im Voraus machen lässt.

Was lässt sich nun aus den Ergebnissen für die Nationalratswahlen 2015 herauslesen? Diese Frage kann (für einmal) statistisch beantwortet werden. Es braucht demnach keine wilden Spekulationen, denn es liegen «harte Fakten» vor. Diese harten Fakten bilden die Ergebnisse der Zürcher Kantonsratswahlen und der Nationalratswahlen (schweizweit) seit 1955. Unter die Lupe genommen haben wir dabei die Veränderung der Wählerstimmenanteile im Vergleich zur letzten Wahl. Es geht uns in diesem Beitrag demnach nicht um die exakten Wählerstimmenanteile, sondern in erster Linie um den Trend, d.h., legt eine Partei zu oder verliert sie Stimmen. In einem ersten Schritt haben wir ein ganz einfaches Regressionsmodell gerechnet, mit welchem wir die Prongosetauglichket der Zürcher Kantonsratswahlen für die nationalen Wahlen schätzten. Dieses Modell enthält nur zwei Variablen: Das Ergebnis bei den Kantonsratswahlen als Prädiktor und das Ergebnis bei den Nationalratswahlen als Explanandum. Zugegeben, ein sehr einfaches Modell. Aber es entspricht genau der Frage, die häufig gestellt wird: Was bedeuten die Zürcher Wahlen für die Nationalratswahlen? Auf der Grundlage dieses Modells können in einem zweiten Schritt die Ergebnisse der kommenden Herbstwahlen geschätzt werden.

Der besseren Übersicht willen, präsentieren wir zunächst einmal die Prognosen für die sieben wählerstärksten Parteien in einer Übersicht, bevor wir – weiter unten – die Trends für die einzelnen Parteien gesondert aufzeigen. Die Prognosen basieren, wie gesagt, auf den Zürcher Ergebnissen, die historisch betrachtet eine Trefferquote von rund 80 Prozent aufweisen – was notabene für eine ziemlich hohe Prognosegüte spricht. Bei der BDP und der GLP ist zu bedenken, dass uns für die Prognose gerade mal zwei (GLP) bzw. ein Wert (BDP) zur Verfügung standen. Wenn die Parteien ihre “Zürcher Form” bis zu den Herbstwahlen halten können – und das tun sie, statistisch gesprochen, auch ziemlich häufig – dann werden die FDP und die SVP zulegen, die SP bleibt stabil, die anderen Parteien verlieren.

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Die nachfolgenden Trendgrafiken zeigen im Übrigen auch an, wie verlässlich diese Schätzungen in der Vergangenheit waren. Wenn man die Schätzlinie mit dem effektiven Ergebnis vergleicht, fällt beispielsweise bei der SP auf, dass sie 1979 auseinanderfielen: Aufgrund des positiven Kantonsergebnisses in Zürich hätte unser Modell der SP damals auch einen Zuwachs an Stimmen bei den Nationalratswahlen vorausgesagt, was aber nicht zutraf. Das Modell kann sich demnach – wie jede Schätzung – auch irren. Aber bemerkenswert ist auch, dass wir bei der SP bis ins Jahr 1979 zurückgehen müssen, um eine solche Divergenz zu finden. Aber immerhin: Diese Divergenzen machen auch deutlich, dass die Ergebnisse der Zürcher Wahlen die Nationalratsergebnisse nicht in der Form eines Naturgesetzes prädeterminieren. Schliesslich verbleiben noch rund fünf Monate bis zur nationalen Wahl. Unvorhergesehenes kann noch geschehen, Trends können noch umgekehrt werden. Die GLP beispielsweise hat in der laufenden Legislaturperiode bis Anfang 2015 bei fast jeder kantonalen Wahl zugelegt, hat aber bei den letzten drei kantonalen Wahlen Stimmen eingebüsst.

Aber trotz dieser Einschränkungen ist der Kanton Zürich ein ziemlich verlässlicher Stimmungstest für die nationalen Wahlen. Nicht zuletzt deswegen, weil ein Sechstel aller nationalen Stimmberechtigten aus dem Kanton Zürich stammen. Die nachfolgenden Grafiken zeigen das auch eindrücklich. Deshalb ist eine stille Vorfreude bei den Zürcher Wahlsiegern von 2015 durchaus gerechtfertigt.

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Gibt der Kanton Zürich den Ton an? Hier geht es zum Artikel.

Hier geht es zum Media-Monitor der Regierungsratswahlen im Kanton Zürich.

Hier finden Sie Wähleranteile auf Gemeindeebene des Kantons Zürich.

Hier finden Sie alles rund um die Stimmkraftausschöpfung.

Wie die Parteistärken berechnet werden, finden Sie hier.