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Der CVP-Initiative fehlten wohl die SVP-Stimmen

Das schlechte Abschneiden der CVP-Familieninitiative hat überrascht. Vor allem auch deshalb, weil mit der SVP die grösste Partei an der Delegiertenversammlung die Ja-Parole beschlossen hat. Unsere Analyse der Abstimmungsergebnisse auf Bezirksebene legt jedoch nahe, dass die Parteianhängerschaft der SVP das CVP-Anliegen nicht unterstützt haben.

Als die nationale Delegiertenversammlung der SVP Ende Januar 2015 eine Ja-Parole zur CVP-Initiative beschloss, kam dies etwas überraschend. Denn bei der entsprechenden Schlussabstimmung im Nationalrat (Ende September 2014) stimmte eine klare Mehrheit der SVP-Vertreter noch dagegen. Der Entscheid der SVP-Delegiertenversammlung änderte – so glaubte man damals – die Ausgangslage des CVP-Begehrens: Ihre Chancen stiegen plötzlich – jetzt, da die (Parolen-)Unterstützung der wählerstärksten Partei der Schweiz «gesichert» war. Doch offenbar zog die SVP-Basis nicht mit. Die untenstehende Grafik, welche den Ja-Stimmenanteil der CVP-Initiative unter anderem dem SVP-Wähleranteil gegenüberstellt, zeigt, dass sich die Zustimmung zur Initiative verringert, je höher der Anteil der SVP-Wähler im Bezirk ist. Gewiss, bei den vorliegenden Daten handelt es sich um Aggregatdaten und bei diesen besteht stets die Gefahr des ökologischen Fehlschlusses. Aber der negative Zusammenhang zwischen SVP-Anteil und dem Anteil Ja zur CVP-Initiative ist ziemlich ausgeprägt und deshalb ein ernst zu nehmendes Indiz dafür, dass sich die SVP-Basis nur bedingt an die Empfehlung ihrer Partei hielt.

Anders bei der CVP: Ihr Wähleranteil in den Bezirken korreliert positiv (wenn auch nicht sonderlich stark) mit der Zustimmungsrate zur Initiative. Das ist zugegebenermassen wenig überraschend. Es ist ja auch zu erwarten, dass die CVP-Wählerschaft die eigene Initiative unterstützt. Es kontrastiert jedoch augenscheinlich zum Muster des SVP-Wähleranteils.

Romandie unterscheidet nicht

Der Vergleich mit der SVP-Familieninitiative wiederum fördert vor allem eine interessante Erkenntnis zu Tage: Während die beiden Familieninitiativen in der Deutschschweiz doch recht unterschiedlich bewertet wurden, stimmten die französischsprachigen Bezirke bei beiden Vorlagen in der Tendenz ähnlich. Woran dies liegt, ist aufgrund der Aggregatdaten nicht zu beantworten. Denkbar ist, dass vergleichbare individuelle Beweggründe für eine Zustimmung gefunden werden können. Möglicherweise spielte die Urheberschaft der Initiative in der Romandie eine unwichtigere Rolle oder die beiden Vorlagen wurden – ganz einfach – ähnlich wahrgenommen.

Steuerentlastungen für Familien haben es schwer

Erneut wurde am Wochenende eine Vorlage zur steuerlichen Entlastung von Familien an der Urne verworfen. Auf der Hand liegt der Vergleich mit einer ähnlich gelagerten Initiative der SVP, worüber im November 2013 abgestimmt wurde. 

Im Gegensatz zum Volksbegehren der SVP vermochte der CVP-Vorschlag vom Sonntag in keinem einzigen Bezirk eine Mehrheit der Stimmbevölkerung zu überzeugen. Den höchsten Zuspruch erhielt die CVP-Initiative im Bezirk Porrentruy des Kantons Jura mit 46.6% JA-Stimmen. Demgegenüber konnte die Schweizerische Volkspartei 2013 wenigstens 29 von 148 Bezirken für ihr Anliegen gewinnen, wobei als Spitzenreiter der Bezirk Entlebuch zu fast 60% dafür votierte. Natürlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass die beiden Volksinitiativen unterschiedliche Mechanismen zur Entlastung der Familien forderten: Während die SVP einen Steuerabzug für Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, wünschte, wollte die CVP Kinder- und Ausbildungszulagen von der Steuerpflicht befreien. Nichtsdestotrotz hätte bei beiden Vorlagen eine steuerliche Entlastung für (insbesondere mittelständische) Familien resultiert. Betrug der JA-Stimmenanteil zur SVP-Initiative im Kanton Glarus immerhin 42%, wies derselbe Kanton – der zugleich einen Bezirk darstellt – mit lediglich 16.6% den schweizweit geringsten JA-Stimmenanteil zur CVP-Familieninitiative aus.

Von der Steuerentlastung betroffen

Der Anteil Kinder und Jugendliche in einem Bezirk kann als Indikator für die Betroffenheit von der Steuerentlastung gewertet werden. Da sowohl Kinder- als auch Ausbildungszulagen steuerfrei geworden wären, hätten «kinderreiche» Bezirke, also solche, in denen tendenziell mehr Familien ihren Wohnsitz haben, stärker profitiert. Tatsächlich zeigen unsere Analysen, dass Bezirke mit einem höheren Anteil unter 19-Jähriger der CVP-Initiative mehr Unterstützung zusprachen. Je mehr Kinder und Jugendliche in einem Bezirk wohnhaft sind, desto grösser war der JA-Anteil zur CVP-Familieninitiative. Interessant fällt diese Betroffenheits-Analyse im Vergleich zur SVP-Vorlage aus. Damals spielte die Betroffenheit scheinbar keine Rolle: Ein steigender Anteil Kinder und Jugendliche bedeutete 2013 nicht, dass die SVP-Familieninitiative auf grösseren Zuspruch stiess. Die Regressionslinie zeigt keinen positiven Zusammenhang wie in ersterer Grafik. Dies könnte darauf hindeuten, dass bei der SVP-Initiative eher ideologische Beweggründe als Betroffenheitsfaktoren ausschlaggebend für die Stimmabgabe waren.

cvp fam 15 kinder
CVP-Familieninitiative 2015.
svp fam 13 kinder
SVP-Familieninitiative 2013.

 

Die Abstimmungen auf Twitter

Wie die Abstimmungszahlen heute verdeutlichen, waren die Familieninitiative und die Energiesteuerinitiative nicht wirklich umstritten. Auch auf Twitter fanden die beiden Vorlagen keine grosse Resonanz. Die erste Grafik zeigt, dass in den letzten Tagen vor der Abstimmung sehr wenig zu den geläufigsten Hashtags (#Familieninitiative und #InitiativeFamille bzw. #viESM und #TEcontreTV) getweetet wurde. Und auf die Abstimmung hin nahmen die Tweets sogar ab. Wie tief die Zahlen vor der Abstimmung sind, verdeutlicht der Vergleich mit dem Abstimmungstag, an dem die Twitternutzung in die Höhe schnellte (die Zahlen in der Grafik zeigen die Anzahl Tweets bis ca. 14:30). Vor allem die ungewöhnlich hohe Ablehnung der GLP-Initiative scheint heute zu Reaktionen bei den Twitter-Nutzern geführt zu haben. Wie bei anderen Initiativen (z.B. bei der Masseinwanderungsinitiative oder beim Gripen) scheint es so, als ob Twitter auch bei den aktuellen Vorlagen nicht wirklich als Mittel im Abstimmungskampf genutzt wurde, sondern nun mehr für Reaktionen auf die Ergebnisse dient.

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Anzahl Tweets pro Tag mit den geläufigsten Hashtags zur Familien- bzw. Energiesteuerinitiative. Eigene Darstellung.

Diese Annahme wird auch dadurch gestützt, dass die Initianten selbst nicht sehr aktiv waren. Dies zeigt die zweite Grafik. Von den Tweets zur Familieninitiative stammen nur rund ein Drittel von CVP-Politikern. Die Initiative wurde auf Twitter also nicht einmal im eigenen Partei-Lager gross unterstützt. Mitglieder der GLP sorgten immerhin für etwa 40 Prozent der Tweets zur Energiesteuerinitiative. Politiker aus der grünen Partei, welche die Initiative immerhin offiziell unterstützte, waren auf Twitter praktisch abwesend.

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Wie viele Tweets zu den Initiativen stammen aus dem Lager der Initianten? Eigene Darstellung.

Natürlich wurden mit den oben gewählten Hashtags nicht alle Tweets zu den Abstimmungen erfasst. Einige Twitterer nutzten sicher auch andere bzw. keine Hashtags. Die Nutzung der allgemeinen und bereits länger bestehenden Hashtags #abst15 und #CHvote liefert allerdings ein sehr ähnliches Bild.

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Anzahl Tweets pro Tag zu den allgemeinen Abstimmungs-Hashtags. Eigene Darstellung.