Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen? Diese Fragen stehen im Zentrum unserer neuen monatlichen Serie zu Social Media.
Als Start werden wir zu Beginn jedes Monats die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook veröffentlichen. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.
Wie sieht die Performanz der Schweizer Parteien aus?
Soziale Medien und Schweizer Politik
Mittlerweile bezweifle auch die «Schweizer Politik» die Bedeutung sozialer Medien nicht mehr, so die NZZ.[2] Laut des Artikels wurden 2015 ungefähr zwei bis fünf Prozent des Wahlkampfbudgets für soziale Medien ausgegeben. Offenbar glauben die verschiedenen Wahlkampf-Koordinatoren daran, dass die sozialen Netzwerke den entscheidenden Unterschied ausmachen können: So lässt sich Thomas Gemperle von der SVP zitieren, dass Facebook und Co durchaus ein paar relevante Wählerprozente beitragen können. Ob dem tatsächlich so ist, lässt sich bislang schwer abschätzen.[3]

Was meint die Akademie dazu?
Die Wissenschaft ist sich bislang, grob gesagt, uneinig, wozu die Daten von sozialen Netzwerken brauchbar sind. Ein Schwerpunkt der Forschung liegt auf Netzwerkanalysen, während sich andere auf Wahlprognosen konzentrieren. Eine viel zitierte Studie hat sich in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeit verschafft: Die Autoren gehen davon aus, dass sich das tatsächliche Resultat von Wahlen überraschend gut mit Twitterdaten abbilden lässt (Es wurden die Deutschen Wahlen vom 27. September 2009 untersucht).[4] Doch die Kritik an der Studie blieb nicht aus und bis jetzt scheint es so, dass sich Twitterdaten nicht per se für Prognosen eignen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Daten unterschiedlich gut zugänglich sind. Während Daten von spezifischen Nutzerprofilen noch relativ einfach zugänglich sind, ist es zum Beispiel bereits deutlich schwieriger, umfassende Datensätze zu einem bestimmten Thema oder Hashtag herunterzuladen.
Soziale Netzwerke haben ihre eigene Logik
Gesichert scheint jedoch, dass soziale Netzwerke eigenen Logiken folgen. Die Produktion von Inhalten unterscheidet sich von den klassischen Medien und so tut es auch die Verteilung von «Content». Nicht mehr ausschliesslich Journalisten filtern, editieren und verbreiten Medieninhalte oder politische Inhalte, sondern auch (oder hauptsächlich) User.[5] Dabei erhoffen sich Produzenten von Beiträgen in aller Regel, dass diese «viral gehen». Das heisst, ein Beitrag wird von Usern sozusagen als Mundpropaganda weiterverbreitet.[6]
Insofern geht es vordergründig darum, mit Hilfe eigener Beiträge eine möglichst hohe Resonanz zu erzielen. Das wiederum setzt voraus, dass Inhalte möglichst so aufbereitet werden, dass User diese kommentieren und in ihren Netzwerken weiterverbreiten und weiterempfehlen. Wird dieses Ziel erreicht, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, durch die «klassischen Medien» aufgegriffen zu werden.[7]
Networking in einer neuen Grössenordnung
Zentral für die Weiterverbreitung von Inhalten ist das Netzwerk innnerhalb des Netzwerks. Ein solches «Unternetzwerk» setzt sich aus verschiedenen Usern zusammen, die relativ gleichgesinnt sind und die direkt oder indirekt miteinander verbunden sind. In der Realtität zeichnen sich solche Netzwerke häufig durch die ideologische Nähe ihrer Mitglieder aus. Man spricht dann von homphilen Netzwerken, da die Mitglieder sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen, also eine relativ homogene Gruppe sind.[8] Ein Beispiel: Wenn Sie eher auf der Parteilinie der SVP als auf jener der SP sind, so werden das tendenziell auch Ihre digitalen Freunde sein.
Aufgrund der Bildung von Unternetzwerken, können theoretisch zwei Fragen untersucht werden. Erstens ergibt sich die Möglichkeit diejenigen Politikerinnen und Politiker zu identifizieren, welche innerhalb ihres Netzwerkes beliebt und einflussreich sind. Und zweitens kann untersucht werden, wem es gelingt, über sein eigenes Netzwerk hinaus Botschaften zu verbreiten. Etwa indem jemand möglichst viele digitale Freunde aus verschiedenen Netzwerken zu hat.[9] Die Anzahl der «Friends/Followers» auf Facebook sowie der «Likes» auf Twitter können deshalb trotz allem als Indikatoren für den potentiellen Erfolg und Einfluss eines Politikers angeschaut werden.
Thomas Willi
Damit Sie den nächsten Beitrag zum Thema «SocialMedia» nicht verpassen:
Das Zitat entstammt diesem Artikel.
[1] Foto: Jason Howie|Flickr
[2] Experimentierfreudig, aber unbeholfen. Den Artikel der NZZ finden Sie hier.
[3] Diese Studie zu holländischen Wahlen findet einen positiven Zusammenhang zwischen Twitteraktivität und Wahlerfolg.
[4] Das ist die erfolgsversprechende Studie und das, eine ausgewählte Kritik daran.
[5] Mehr zur Theoretisierung von Netzwerklogiken finden Sie hier.
[6] Viralität ist das, was Karine Nahon et al. als einen kurz andauernden Prozess beschreiben, der einem Beitrag durch die Verbreitung vieler Nutzer zu maximale Publizität verhilft. Mehr zur Verbreitung in Netzwerken gibt es hier zu lesen.
[7] Tweets sind vielmehr reaktiv als prädikativ, mehr dazu hier.
[8] Barbera, Pablo. 2015. Birds of the Same Feather Tweet Together: Bayesian Ideal Point Estimation Using Twitter Data. Political Analysis 23(1): 76-91. Link.
[9] Mehr zum On- und offline Networking, lesen Sie hier.