Home » Blog » Digitaler Wahlkampf unter der Lupe: Ruedi Noser und Twitter

Twitter

Digitaler Wahlkampf unter der Lupe: Ruedi Noser und Twitter

Mit welchen Inhalten versucht Ruedi Noser auf seinem Twitteraccount Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Diese Frage wird im zweiten Teil der Serie zur Social-Media-Einzelfallbetrachtung von Gastautorin Nicole Bosshard beantwortet.               

Wie verhält sich Ruedi Nosers Online-Wahlkampf Strategie im parteiinternen Vergleich und im Vergleich zu seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern im letzten Wahlkampf? Analysen zeigen, dass die FDP in Punkto Twitter-Aktivität im letzten eidgenössischen Wahlkampf im Vergleich zu anderen nationalen Parteien führend war.[2] Der direkte Vergleich zu seinen Kollegen im Kampf um die Parlamentssitze zeigte, dass auch Ruedi Noser bei Twitter ein hohes Rating (= hohe Aktivität) im Wahlkampf aufwies.[3] Inhaltich konzentriert sich Noser generell mehrheitlich auf informative Angebote. Private Inhalte sind rar, Spendengeldaufrufe fehlen gänzlich.

WAS BEWIRKEN TWEETS           

Noser scheint den direkten Weg zur Öffentlichkeit durch Social-Media zu schätzen. Eines seiner Ziele ist es, ungefiltert Themen zu setzen. Die Medien oder der Journalist fungieren im publizistischen Verständnis als Watchdog, welche die Themen auf Grund von internen und externen Normen filtern. Twitter kann diese Systematik unter Umständen umgehen, indem Tweets direkt an breiteres Publikum weitergegeben werden können. Dies führt oftmals zu einem Deutungsverlust des Urhebers des Tweets bzw. der Botschaft. Dies weisen Experten als Schwäche der politischen Kommunikation auf Social-Media aus: Inhalte können sich verselbstständigen und aus dem ursprünglich gemeinten Kontext befreien. [4] Diese Verselbstständigung kann jedoch auch zu Viralität führen. Falls ein selbstgetexteter Inhalt eines Politikers viral geht, bedeutet dies kostenlose Weiterverbreitung eines intendierten Inhaltes. Folgen davon können wiederum Aufmerksamkeit, Bekanntheit und im besten Falle sogar Wählerstimmen sein.

MEDIENFLIEGENFALLE

Twitter kann als «Medienfliegenfalle» dienen. [5] Dahinter steckt der empirisch belegte Gedanke, dass zahlreiche Journalisten Twitter nutzen, um (unter anderem) neue Ideen zu generieren.[6] Politiker und Journalisten sind in Netzwerken verlinkt, sodass der Informationsfluss direkt erfolgen kann. Forscher der Universität Zürich bestätigen dies auch für die Schweizer Branche Wahlkampfleiter der grossen Schweizer Parteien versichern, dass parteiliche Social-Media-Nutzung tatsächlich die Intention verfolgt, Agenda-Setting zu betreiben. [7] Der Kampagnenführer von FDP Schweiz hält sich da etwas genereller und spricht von Social-Media als Kommunikationsinstrument im Allgemeineren. [8]

Folgen Sie einem Account einer Politikerin, eines Politikers oder einer Partei in den sozialen Medien?

Loading ... Loading ...

WAS GETWEETED WIRD

Die inhaltliche Kategorisierung der Tweets zeigt, dass das politische Statement als wichtigster Inhalt verwendet wird. Darauf folgen Links zu Medienbeiträgen und Links zur Weiterleitung auf die eigene Seite, oder die Webseite der FDP. Veranstaltungshinweise werden ebenfalls sehr gerne und oft geteilt. Dabei wurde zwischen Veranstaltungen aus der Vergangenheit, gerade stattfindende oder zukünftigen unterschieden. Twitter als Livemedium bediente Noser diesbezüglich am liebsten, dichtgefolgt von Hinweisen auf nächstens stattfindende politische Events.

twitter_content

Damit kann sich ein Noser-Follower gut informiert fühlen und sich allenfalls entscheiden, an einer nächsten Veranstaltung teilzunehmen. Die Grenzen zwischen Information und Mobilisierung sind in einem solchen Fall fliessend. Wahlaufforderungen, Danksagungen und sonstige Tweets werden weniger gezwitschert. Auf Spendenaufrufe verzichtet Noser gänzlich. Ein Experte für digitale Kampagnen meint dazu, dass es hierzulande als unhöflich gälte, Wahlkampffinanzierungen direkt anzufordern. [9]

NOSER VS. OBAMA       

Ein inhaltlicher Vergleich zwischen Obamas Wahlkampf 2008 und Nosers 2015 zeigt, dass es Noser nicht so gut versteht, sich selbst zu vermarkten. Damals nutze Obama 63% seiner Tweets als Referenz auf seine eigene Seite.[10] Der Ständerat nutzte bloss in 15% seiner Tweets die Möglichkeit, auf seine Seite zu verweisen. Natürlich ist ein direkter Vergleich der beiden mit Vorsicht zu geniessen. Während Obama viele Ressourcen in den Online-Wahlkampf investieren konnte und damit sowohl Geld, Personal wie auch Know-How aufwenden konnte, hatte Noser höchst wahrscheinlich nur ein Bruchteil dessen zur Verfügung.

Beispiel für eine Danksagung auf Twitter: Diese Tweet generierte am meisten Likes und am zweitmeisten Reetweets.

PASSIVER TWITTERER  

Die Betrachtung der Tweets zeigt überdies, dass gut die Hälfte (51%) aller Tweets Retweets (kein selbstständiges Verfassen- sondern Weiterverbreiten) sind. Die Möglichkeit passiv Inhalte zu verbreiten, ist natürlich verlockend. Damit kann ohne redaktionellen oder zeitlichen Aufwand Inhalt an die Follower gebracht werden.

Ist das vielleicht der Grund, wieso quantitativ mehr Inhalte auf Twitter als auf Facebook generiert wurde? So viel sei dem nächsten Teil vorweggenommen, auf Facebook war Ruedi Noser um einiges aktiver.

Nicole Bosshard

Den ersten Teil der Serie finden Sie hier.

Nicole Bosshard studiert an der Universität Zürich (MA) mit dem Hauptfach Politikwissenschaft und dem Nebenfach Publizistik und Kommunikationswissenschaften.

Daten

Die Ergebnisse resultieren aus zweierlei Quellen. Zum einen aus der Betrachtung von Ruedi Nosers Inhalte auf seinen Social- Media-Kanälen: Twitter, Facebook, Instagram und Youtube. Die Daten wurden erhoben und zu einem verwertbaren Datensatz zusammengefügt. Zum anderen wurde Ruedi Noser schriftlich interviewt. Der Untersuchungszeitraum für die inhaltliche Auswertung erstreckt sich vom 1.1.2015- 31.01.2016.

Die Kategorisierung der Inhalte von Facebook und Twitter wurde bereits durchgeführten Studien nachempfunden und deren Codierungssystem teilweise adaptiert. [10][11][12]   

[1] Foto: Esther Vargas|Flickr

[2] Lesen Sie dazu diesen Politan-Beitrag.

[3] Lesen Sie zur Social- Media- Aktivität der Zürcher- Kandidierenden.

[4] Schulz, Winfried (2008): Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[5] Jungherr, A. (2009): Twitternde Politiker: Zwischen bunten Rauschen und Bürgernähe 2.9. In: Bieber, Christoph, Eifert, Gross, Thomas und Lala, Jörn (Hrsg.): Soziale Netze in der digitalen Welt: Das Internet zwischen egalitärer Beteiligung und ökonomischer Macht. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 99-127.

[6] Die Studie von Parmelee finden Sie hier.

[7] Mehr Informationen dazu in dieser der Studie Universität Zürich.

[8]  Hier gelangen Sie zum NZZ- Artikel.

[9] Graf, Daniel (2016): “Eine Zäsur für die Schweiz”. Tages-Anzeiger. 02.03.2016. S.33.

[10] Solop, Frederic I. (2010): „RT @ BarackObama we just made history“: Twitter and the 2008 Presidential Election. In: Hendricks, John Allen and Denton, Jr., Robert E. (Hrsg.): Communicator- in- Chief. How Barack Obama Used New Media Technology to Win the White House. Plymouth: Lexington Books, 37-49.

[11] Lesen Sie mehr dazu in einem Paper von Graham und Koautoren.

[12] Mehr zu Obama und Facebook finden Sie im Paper von Robertson, Vatrapu und Medina.