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Differenz zwischen der DSI-Stimmbeteilung und der durchschnittlichen Stimmbeteiligung.

Der Röstigraben bei der Stimmbeteiligung

Die aktuellen Abstimmungen zeichneten sich durch eine deutlich überdurchschnittliche Beteiligung aus. Vor allem die Durchsetzungsinitiative führte zu einer aussergewöhnlichen Mobilisierung der Stimmbürger. Trotzdem gab es deutliche Unterschiede zwischen den Regionen.

Bereits im Voraus der heutigen Abstimmungen wurde viel über die Mobilisierung geschrieben. Besonders in Bezug auf die Durchsetzungsinitiative erwarteten Experten eine überdurchschnittliche Beteiligung: Zeitweise wurde über Spitzenwerte von bis zu 70 Prozent spekuliert (auch von uns). Ganz so hoch fiel die Beteiligung dann doch nicht aus. Trotzdem: mit 63.1 Prozent (Initiative gegen die Heiratsstrafe: 61.8%, Initiative gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln: 60.6%, Sanierung Gotthard-Strassentunnel: 62.3%) weist die Durchsetzungsinitiative (DSI) landesweit die fünfthöchste Stimmbeteiligung seit der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 auf.

In der Stadt Zürich zeichnete sich die hohe Stimmbeteiligung bereits in den letzten zwei bis drei Wochen ab. Mit 64.6 Prozent lag die Stimmbeteiligung zur DSI hier 18 Prozentpunkte über dem Durchschnitt. Anders sieht es in der Stadt Genf aus, wo die Entwicklung vor allem zu Beginn sehr stark dem gewohnten Muster folgte. In den letzten zehn Tagen vor der Abstimmung sah es sogar nach einer unterdurchschnittlichen Partizipation aus. Danke einem starken Schlussspurt am Abstimmungssonntag fiel die Beteiligung in Genf schliesslich doch noch überdurchschnittlich aus. Sie erreichte allerdings nicht die hohe Stimmbeteiligung zur Masseneinwanderungsinitiative vom Februar 2013.

Beteiligung_real

 

Stimmbeteiligung in der Gotthardregion bis zu 25 Prozentpunkte höher

Nicht nur in den Städten gingen die Wahlberechtigten fleissiger an die Urne als sonst. Die Beteiligung zur DSI lag in jedem Bezirk der Schweiz über dem Durchschnitt [1]. Allerdings nicht im gleichen Ausmass, wie die untenstehende Grafik zeigt. Der Unterschied zwischen den Städten Zürich und Genf scheint repräsentativ zu sein für eine Art Röstigraben in der Stimmbeteiligung. Während die Beteiligung in der Deutschschweiz in den meisten Bezirken mehr als 15 Prozentpunkte über dem Durchschnitt lag, ist die Differenz in den Westschweizer Bezirken deutlich kleiner.

Differenz zwischen der DSI-Stimmbeteilung und der durchschnittlichen Stimmbeteiligung.

Auffällig ist zudem, dass die deutlich höchste Stimmbeteiligung in Uri sowie im Tessin erreicht wurden. Hier lag die Beteiligung mehr als 25 Prozentpunkte über dem Durchschnitt des jeweiligen Bezirks. Die unmittelbare Nähe dieser Bezirke zum Gotthard ist wohl kaum reiner Zufall. Dies weist darauf hin, dass – entgegen der Annahme vieler Kommentare – nicht nur die DSI sondern auch die zweite Gotthardröhre stark mobilisierte.

Mobilisierungseffekte nicht eindeutig

Wie sich die überdurchschnittliche Stimmbeteiligung auf das Resultat auswirkte, ist denn auch nicht eindeutig zu eruieren anhand der Bezirksdaten. Berechnungen der Zusammenhänge zwischen der Beteiligung und der Ja-Stimmenanteile führen zu widersprüchlichen Ergebnissen. So sind die Ja-Stimmenanteile zur DSI im Vergleich zur Masseneinwanderungsinitiative 2015 tiefer, umso höher die Differenz in der Stimmbeteiligung.

Dies würde der zurzeit allgegenwärtigen Interpretation entsprechen, dass die Gegner der SVP dieses Mal besonders gut mobilisierten. Im Vergleich zur Ausschaffungsinitiative ist der Zusammenhang jedoch genau gegenteilig (wenn auch nicht ganz eindeutig): Je höher die Stimmbeteiligung zur DSI im Vergleich zur Ausschaffungsinitiative, umso höher die Ja-Stimmenanteile. Dies würde bedeuten, dass die Befürworter ebenfalls sehr stark mobilisierten. Um eindeutig feststellen zu können, welche Seite wie gut mobilisierte, muss wohl die Nachbefragung abgewartet werden.

Die hohen Korrelationen der Ja-Anteile zwischen der DSI und der anderen beiden SVP-Initiativen zeigen allerdings, dass das Abstimmungsmuster bei den drei Vorlagen auffallend ähnlich war. Nur lagen die Ja-Stimmenanteile dieses Mal zehn bis fünfzehn Prozentpunkte tiefer. Eine mögliche Interpretation ist, dass nicht nur die Mobilisierung entscheidend war, sondern, dass ein Teil der Stimmbürger, die bei der Ausschaffungsinitiative und der Masseneinwanderungsinitiative noch Ja stimmten, dieses Mal ein Nein in die Urne legte.

[1] Diesen Abstimmungssonntag fehlen bei den ausgewiesenen Abstimmungsresultaten auf Bezirksebene die Angaben zur Anzahl der Stimmberechtigten. Die Stimmbeteiligung wurde deshalb approximiert, indem die Anzahl der gültigen Stimmen durch die Anzahl der Stimmberechtigten im Juni 2015 dividiert wurde.