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Wer holt sich den Sitz im Stöckli dank «fremder» Wähler? Foto: Flickr/gato-gato-gato

Der Kampf der Panaschierkönige

An den Wahlen um die Zürcher Vertretung im Ständerat beteiligen sich ein paar der bekanntesten Zürcher Politiker. Ein Blick in die Panaschierstatistik zeigt, wer nicht nur bekannt ist, sondern auch über die eigene Stammwählerschaft hinaus punkten kann.

In einem Mehrheitswahlsystem müssen Kandidierende auch Wählende anderer Parteien von sich überzeugen, um gewählt zu werden. Die anstehende Wahl der Zürcher Vertretung ins Stöckli ist diesbezüglich keine Ausnahme. Die Tatsache, dass sich bei den letzten beiden Zürcher Ständeratswahlen (2007, 2011) keine der teilweise hochkarätigen Kandidaturen der beiden wählerstärksten Parteien SVP und SP durchsetzen konnte, illustriert dies deutlich. Stattdessen machten mit FDP und GLP zwei Parteien das Rennen, welche auch zusammengezählt nicht auf die Wähleranteile der SVP kommen (Mobileversion der Grafik).

Nimmt man die Grösse der Parteiwählerschaft pro Partei bei den jüngsten Kantonsratswahlen als Richtwert für die kommenden Ständeratswahlen, wird klar, dass alle Kandidierenden weit über ihre politische Basis hinaus punkten müssen, um das absolute Mehr im ersten Wahlgang erzielen zu können. Selbst wenn wir die Möglichkeit von Wahltickets in Betracht ziehen, kann keines der klassischen Parteilager eine sichere Mehrheit der Wählenden auf sich vereinigen. Klar, FDP und SVP kommen im Verbund mit der EDU auf rund 50% des Elektorats. Theoretisch keine schlechte Ausgangslage, aber eine komfortable Mehrheit sieht anders aus.[1] Kommt hinzu, dass es momentan nicht so aussieht, als ob SVP und FDP im Ständeratswahlkampf geschlossen auftreten werden.[2]

Und selbst wenn Parteien mit einem Ticket in den Wahlkampf ziehen, gibt es keine Sicherheit, dass ihre Wählerschaft dieses an der Urne auch umsetzt. Bei den Zürcher Ständeratswahlen 2007 spannten SVP und FDP beispielsweise zusammen. Doch während damals die SVP-Anhangerschäft neben Ueli Maurer (SVP) häufig auch Felix Gutzwiller (FDP) wählte, wurde dieser Liebesdienst von der FDP-Anhängerschaft selten erwidert.[3] Bei den Regierungsratswahlen dieses Jahres scheint die gegenseitige Unterstützung zwar grösser gewesen zu sein, aber es bleibt bei dabei: Es gibt keine Garantie, dass die Wähler einer allfälligen Wahlempfehlung bei den Ständeratswahlen auch folgen.[4] Für alle Kandidaten lautet deshalb auch dieses Jahr das Schlüsselwort wieder  «mehrheitsfähig» und sie sind gut beraten, dafür weit über den Radius der eigenen Wählerschaft hinaus um Unterstützung zu werben.

Was sagt die Panaschierstatistik?

Welcher der fünf (sicheren) Zürcher Ständeratskandidaten – Ruedi Noser, Daniel Jositsch, Martin Bäumle, Hans-Ueli Vogt und Bastien Girod – am ehesten mehrheitsfähig ist, lässt sich aufgrund der Panaschierstatistik zu den Nationalratswahlen 2011 erahnen. Die fünf aktuellen Bewerber um die Zürcher Ständeratsvertretung nahmen 2011 nämlich alle an den Nationalratswahlen teil. Bei den Nationalratswahlen aber gibt es die Möglichkeit des Panaschierens. Die Anzahl Panaschierstimmen wiederum ist ein guter Indikator für die Mehrheitsfähigkeit einer Kandidatur. Dabei ist klar, dass die Entscheidungssituation bei den Zürcher Ständeratswahlen (bloss zwei Stimmen) und Nationalratswahlen (neu: 35 Stimmen) nicht dieselbe ist. Aber von der strukturellen Logik her gesehen, ist die Situation zumindest nicht unähnlich.

Weiter gilt auch zu bedenken, dass die einzelnen Kandidaten in unterschiedlichem Ausmass auf parteifremde Stimmen angewiesen sind. Hans-Ueli Vogt kann bei den Ständeratswahlen auf die Stimmen der SVP-Wähler zählen, was bereits rund 30 Prozent der Wählerstimmen entspricht. Bastian Girod von den Grünen hat hingegen eine zahlenmässig deutlich geringere Stammwählerschaft und ist demnach viel stärker auf Stimmen ausserhalb der eigenen Wählerschaft angewiesen.

Auch zur Panaschierstatistik gibt es eine App. Klicken Sie sich hier durch alle Parteien.

In Bezug auf die Panaschierstatistik zeigt sich,  dass vor allem der SVP-Kandidat Hans-Ueli Vogt deutlichen Aufholbedarf hat. Während Daniel Jositsch, Martin Bäumle, Ruedi Noser und Bastein Girod in ihren die Parteien die Panaschierkönige waren, kam Hans-Ueli Vogt 2011 zusammengezählt auf weniger Panaschierstimmen als der Sozialdemokrat Daniel Jositsch alleine von der FDP erhielt. Sogar Bastien Girod fand bei den FDP-WählerInnen mehr Zuspruch als der Kandidat der SVP. Martin Bäumle wiederum erhielt mehr Stimmen von SVP-Listen als Ruedi Noser. Für weitere Vergleiche, klicken Sie die «Parteipunkte» in der untenstehenden Grafik an. Sie zeigt, wie viele Panaschierstimmen die Zürcher Ständeratskandidaten erzielt haben, die 2011 noch alle für den Nationalrat kandidiert haben (Mobileversion der Grafik).

Natürlich lassen sich die Zahlen von den Nationalratswahlen 2011 nicht einfach auf die Ständeratswahlen 2015 übetragen. Neben den schon erwähnten Unterschieden bezüglich der Entscheidungssituation (Majorz statt Proporz, 2 statt neu 35 Sitze) ist auch die  Ausgangslage für den Wahlkampf dieses Jahr eine andere ist als 2011. So ist ist zum Beispiel vorstellbar, dass Martin Bäumle bei den letzten Nationalratswahlen von der damaligen Salienz der Umweltthematik profitiert hat. Hans-Ueli Vogt wiederum verfügt als Kopf hinter der «Landes- vor Völkerrechtinitiative»  wohl über eine der besten Wahlkampfplattformen. Diese dürfte ihm eine mediale Präsenz verschaffen, die über den Ständeratswahlkampf hinausgeht. Bei den letzten NR-Wahlen war er zudem nur auf dem 24igsten Listenplatz und deutlich unbekannter. Angesichts dessen ist sein Resultat bei den Panaschierstimmen beachtenswert. Ebenfalls soll darauf hingewiesen werden, dass die neugewählte Zürcher CVP-Regierungsrätin Silvia Steiner bei den letzten Nationalratswahlen sogar noch weniger Panaschierstimmen auf sich vereinte als Hans-Ueli Vogt. Trotzdem gelang ihr dank der Unterstützung von FDP- und SVP-WählerInnen der Einzug in die kantonale Exekutive. Klar, auch die Regierungsratswahlen sind nicht ohne Weiteres mit den Ständeratswahlen vergleichbar. Das Beispiel zeigt jedoch, wie viel mit einem soliden Wahlkampf und starken Verbündeten erreicht werden kann.

Der Kampf um die Ständeratssitze des Kantons Zürich präsentiert sich also ziemlich offen. Das bleibt auch so, wenn sich die Parteien doch noch für Tickets entscheiden. Er dürfte einer der spannenden Wahlkämpfe in diesem Wahlherbst werden.

[1] Hier geht es zum Verlauf der Parteistärken im Kanton Zürich.
[2] Sowohl SVP-Präsident Alfred Heer als auch FDP-Präsident Beat Walti äussern sich kritisch gegenüber gegenseitgen Wahlempfehlungen bei den Ständeratswahlen. Hier  und hier geht es zu entsprechenden Artikeln in der NZZ.
[3] Diese und weitere Informationen zu den Zürcher Ständeratswahlen 2007 finden Sie in der Nachlese von Peter Moser. Romain Lachat hat 2006 eine Studie zu den Determinaten für das Abschneiden von SVP-Kandidaturen bei Ständeratswahlen publiziert [Bezahlinhalt].
[4] Grafik zur Unterstützung der RR-Kandidaten nach Parteiwählerschaft von Sotomo und Tages-Anzeiger.
Was Panaschieren ist, finden Sie hier.
Hier geht es zur Panschierstatistik-App: Bildschirmfoto 2015-05-04 um 23.27.13