
Am Mittwoch findet die Ersatzwahl von Bundesrat Didier Burkhalter statt. Die FDP tritt gleich mit drei Persönlichkeiten an: die Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret, der Tessiner Nationalrat Ignazio Cassis und der Genfer Staatsrat Pierre Maudet. Doch wie unterscheiden sich diese Kandidaten?
Am meisten Chancen dürften die beiden Kandidaten aus dem Nationalrat haben, da in der Diskussion um die Bundesratswahl vor allem die Region und Geschlechterfrage im Zentrum steht. Die italienische Schweiz war das letzte Mal 1986 mit Flavio Cotti im Bundesrat vertreten. Deshalb hofft die Tessiner Bevölkerung mit Ignazio Cassis nach über 30 Jahren ohne Bundesrat endlich wieder vertreten zu sein. Ebenfalls Anspruch erhebt auch die Westschweizer Frauen. Sie seien noch nie vertreten gewesen, weshalb es umso wichtiger sei, dass mit Isabelle Moret endlich eine Frau aus der lateinischen Schweiz Bundesrätin werde.
Nun kommt die Frage auf, inwiefern sich die beiden Nationalratsmitglieder im Parlament unterscheiden. Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der aktuellen Legislatur sowohl auf der kulturellen wie auch auf der ökonomischen Dimension. Das heisst aber noch lange nicht, dass Ignazio Cassis und Isabelle Moret bei allen Abstimmungen gleich gestimmt haben. So haben sie in 20 von 868 unterschiedlich gestimmt, also in gerade mal gut zwei Prozent aller Abstimmungen. In 68 Prozent aller Abstimmungen haben sie gleich gestimmt. In einer Abstimmung haben sich beide enthalten und in vier haben beide nicht teilgenommen. Ignazio Cassis hat nur bei 15 Abstimmungen nicht teilgenommen und sich bei 9 Enthalten. Isabelle Moret hingegen hat bei 212 Abstimmungen nicht teilgenommen, was fast ein Viertel alle Abstimmungen ist. Gerade vier dieser Abwesenheiten waren entschuldigt. 26 Mal hat sie sich enthalten.
Auf der kulturellen Dimension unterscheiden sich die beiden beispielsweise beim Umgang mit Straftätern. Isabell Moret stimmte für eine Erschwerung der Entlassung von Verwahrten. Ebenso war sie für die Haftung des Gemeinwesens bei einer Bedingten Entlassung von Sexualstraftätern und die bei schweren Delikten zwingend eine DNA-Probe genommen werden muss. Ignazio Cassis war bei allen drei Vorlagen dagegen.
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Auch auf der ökonomischen Dimension finden sich Unterschiede. So hat beispielsweise die Waadtländer Bundesratskandidaten für das Gesetz über die Schwarzarbeit gestimmt wohingegen der Tessiner Bundesratskandidaten dagegen war.
Was die Analyse auch zeigt: Im Vergleich zur Legislatur 2011-2015, als Cassis noch eher zum linken Flügel der Fraktion zählte, hat er sich nach rechts bewegt. Wer der nächste Bundesrat oder die nächste Bundesrätin wird, zeigt sich am Mittwoch. Was schon jetzt klar ist: Ob Cassis oder Moret gewählt werden, macht inhaltlich wenig Unterschied.
Benjamin Schlegel
Die anderen 16 Unterschiede
Isabelle Moret war für die Abschreibung der parlamentarischen Initiative, dass Komatrinker ihren Spitalaufenthalt selber bezahlen müssen, Ignazio Cassis war dagegen. Der Tessin war gegen eine Anpassung, dass die Finma sich aktiv für das Ansehen und die Stärkung des Finanzplatzes einsetzen soll, die Waadtländerin war dafür. Die französischsprachige Kandidatin war zudem für eine Studie über die Auswirkungen des neuen Namensrecht, er war dagegen.
Auch bei den Finanzen hatten die beiden das Heu nicht immer auf der gleichen Bühne. Moret hat dem Voranschlag 2016 zugestimmt, Cassis hat ihn abgelehnt. Sie war auch dafür, dass Unternehmen im Dienstleistungssektor einfacher Kurzarbeit einführen konnten. Der italienischsprachige Kandidat war hingegen für einen Abbau des Administrativaufwands für die AHV, sie war dagegen. Die Waadtländerin hat für eine Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken gestimmt, er hat die Vorlage des Bundesrates abgelehnt.
Er war dafür, dass neu das Parlament für die SRG-Konzession zuständig ist. Davon wollte Moret nichts wissen. Sie hätte lieber eine duale Konzessionskompetenz gehabt mit Bundesrat und Parlament, wovon ihr Fraktionskollege jedoch nichts wissen wollt. Sie wollte auch nichts davon wissen, dass die Finanzhilfe für familienergänzende Kinderbetreuung erhöht wird. Er hingegen schon.
Isabelle Moret wollte zudem eine Studie zu den Auswirkungen des Pestizids Glyphosat in der Schweiz. Ignazio Cassis war dagegen. Auch nahm die Waadtländerin das Zusatzprotokoll zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung an, er lehnt es ab. Er war hingegen dafür, dass für jedes neue Gesetz ein bestehendes aufgehoben werden muss, sie war dagegen.
Der Tessiner hat für mehr Direktzüge von Luzern ins Tessin gestimmt, sie war dagegen. Er war auch gegen eine Motion, dass weiterhin Schweizer Milchprodukte für die Linderung von Hungersnöten weltweit eingesetzt werden, sie war dagegen. Isabelle Moret war für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Parlament, er war dagegen.
Methode
Im folgenden wurde zur Analyse der Abstimmungen ein zweidimensionales IRT Modell gerechnet. Für die Analyse wurden alle Abstimmungen der laufenden Legislatur übernommen, wobei die laufende Session nicht einbezogen wurde. Die Signifikanz der Unterschiede wurde mittels First-Difference-Schätzung ermittelt.