In früherern Blogposts hatten wir uns bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich aus den «digitalen Spuren» des kollektiven Informationsverhaltens Rückschlüsse auf das Erfolgspotenzial einer Kandidatur ziehen lassen. Die Ständeratswahl 2015 im Kanton Zürich bietet sich an, um dieser Frage erneut nachzugehen. Gewinnt auch im zweiten Wahlgang der «Klick-König»?
Daniel Jositsch: nicht nur Panaschier- sondern auch Zürcher Klick-König
Im ersten Wahlgang der Zürcher Ständeratswahl 2015 hat Daniel Jositsch als einziger das absolute Mehr erreicht und somit im ersten Anlauf den Sprung ins «Stöckli» geschafft. Mit einem Durchmarsch des Sozialdemokraten wurde im Vorfeld nicht gerechnet, obwohl er als Favorit gehandelt wurde. Daniel Jositsch hat in den zwei Wochen vor dem Wahlsonntag die meisten Wikipedia-Aufrufe verzeichnet. Sein Eintrag verzeichnete beträchtliche 28% des Gesamttraffic all dieser Kandidaten. Er verzeichnete beträchtliche 10% mehr als der zweitplatzierte Ruedi Noser. Am Wahlsonntag ging es für ihn dann per «Schnellzug» nach Bern ins Stöckli.
Lies dies das hohe Interesse an seiner Person, welches sich in der Wikipedia-Nutzungsstatistik wiederspiegelt, erahnen? Natürlich mahnen wir zur Vorsicht, wenn es um die Vorhersage von Wahlresultaten anhand solcher Daten geht. Wie bereits erwähnt verfolgen wir in erster Linie experimentelle Zwecke. Da im Kanton Zürich bei Ständeratswahlen lediglich leere Listen und keine offiziellen Wahlempfehlungen mit den Angaben zu den Kandidierenden in die Haushalte flattern, ist es jedoch möglich, dass die «Klicks» bis zu einem gewissen Grad auch Aufschluss über die Wahlabsichten bietet – zumindest theoretisch.
Umfrage SR: Was denken Sie, wer gewinnt den zweiten Wahlgang in Zürich?
- Bastien Girod (60%)
- Hans-Ueli Vogt (4%)
- Ruedi Noser (36%)

Wo findet der zeitgenössisch politisch interessierte Bürger Informationen zu Wohnort, Partei und Beschäftigung seines Wunschkandidaten, wenn nicht via Google bzw. auf Wikipedia? Gut möglich, dass manch potentieller Wähler vor dem Ausfüllen des Wahlzettels googelt und den Wikipedia-Eintrag des Kandidaten konsultiert. Die Abrufstatistiken vor dem ersten Wahlgang lassen dies durchaus als plausibel erscheinen. Die folgende Grafik zeigt die Anteile der Kandidaten in den zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang. Unangefochtener Spitzenreiter ist Daniel Jositsch. Auf der zweiten Position folgt Noser. Einzige Abweichung in der Reihenfolge: Hans-Ueli Vogt.
Der zweite Wahlgang wird zum Thriller
Daniel Jostischs direkter Sprung in den Ständerat trägt dazu bei, dass sich die Ausgangslage für den zweiten Wahlgang äusserst spannend gestaltet. Im Rennen bleiben Ruedi Noser (FDP), Hans-Ueli Vogt (SVP) und Bastien Girod (Grüne). SVP Präsident Toni Brunners Angebot eines bürgerlichen Kuhhandels – Vogt würde zugunsten von Noser in Zürich verzichten, wenn Philipp Müller im Aargau dem SVP-Kandidaten den Vorzug lassen würde – ist bei der FDP Führung auf wenig Gegenliebe gestossen. Daher bleibt das Rennen offen. Noser wird zwar als Favorit gehandelt doch Girod holt auf, zumindest laut Wahlbörse des Tagesanzeigers.
Ein rein linkes Zürcher Ständeratsduo wäre ein politisches Novum und ist sicherlich nicht das wahrscheinlichste Szenario. Entscheidend wird sein, wem die Stimmen der nicht mehr antretenden Kandidaten zufliessen werden. Da im zweiten Wahlgang nur noch das relative Mehr zählt, bleibt jedoch wirklich alles möglich, je nachdem wer die meisten Stimmen der ausgeschiedenen bzw. gewählten Kandidaten auf sich vereinen kann.
Schafft es auch im zweiten Wahlgang der Kandidat mit dem «Klick-Mehr» INS Stöckli?
Die folgenden Grafiken zeigen die digitale Augangslage bis zum 14. November 2015. Noser liegt momentan noch in Führung. Doch sein Vorsprung ist klein. Er liefert sich ein veritables Kopf-an-Kopf-Rennen mit Girod.
[1] Foto: NwandaWomblin|Flickr