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Social Media und Schweizer Politik im September 2016

Alle scheinen sich einig zu sein: Social Media sind ein wichtiges Werkzeug für Politikerinnen und Politiker, Campaigner und sogar Bundesräte. Doch wozu ist Social Media wirklich gut? Sind die Netzwerke mehr als ein Marketingtool und taugen sie sogar für Prognosen? Für den Monat September hat Bruno Wüest das Netzwerk Schweizer Politiker unter die Lupe genommen.

Die zentralsten Nutzer von Twitter

Welche Schweizer Politiker sind besonders zentral? Bruno Wüest hat sich dieser Frage angenommen und die Schweizer Politiker auf Twitter untersucht.[2,3] Daraus ist die untenstehende interaktive Grafik entstanden. Erstens fällt auf, dass es sehr wenige Akteure mit einer hohen Zentralität gibt. Der grösste Teil der politischen Twitter-Nutzer folgt nur sehr wenigen Accounts und hat selbst wenige Follower. Zudem lässt sich die Wichtigkeit eines Akteurs nicht immer mit der Gesamtzahl Follower feststellen, wie das Beispiel von Arnaud Bonvin zeigt. Mit relativ wenig Followern ist er trotzdem für das Twitter-Netzwerk der Schweizer Parteien sehr zentral. Interessant ist zudem, dass unter den am besten vernetzten PolitikerInnen überaus häufig FDP-Accounts sind (Chrisitian Wasserfallen, Claudine Esseiva, Arnaud Bonvin, Christa Markwalder und der nationale FDP-Account FDP.DieLiberalen). Die FDP versteht es offensichtlich am besten, sich auf Twitter zu vernetzen. Andere Accounts wie derjenige von Cédric Wermuth und Nathalie Nickli, welche in früheren Analysen noch obenaus geschwungen sind, haben deutlich an Wichtigkeit verloren.[4]

Entwicklungen im Vergleich zum Vormonat

Wenn die Entwicklung der «Follower» an der Zahl zu Beginn des Monates gemessen wird, dann bilden wieder die glp und die SP die Schlusslichter.[5] Die Septemberabstimmungen scheinen keine nennenswerte Entwicklung verursacht zu haben. Die EVP, die CVP, die EVP und die FDP sind ähnlich stark gewachsen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.

Die Grünen und die BDP legen prozentual am meisten zu, was im Falle von ersteren mit der Initiative «Grüne Wirtschaft» zusammenhängen dürfte. Interessant wird im Zusammenhang mit der Grünen Partei sein, ob sich der Abstimmungskampf im Vorfeld der Atomausstiegsinitiative (27. November 2016) in der Entwicklung der Followerzahlen niederschlägt.

Facebook

Auf Facebook sieht die Lage anders aus. Gemessen an der Anzahl «Likes» zu Beginn des Monates haben die BDP, die glp, die CVP und die Grünen am wenigsten zugelegt. Das Wachstum der SP ist wieder auf ein normales Niveau gefallen, während die SVP prozentual am stärksten gewachsen ist und sich damit wieder stärker von der SP abzusetzen vermag.

Thomas Willi und Bruno Wüest

Wrap-Up: Zu Beginn jedes Monats veröffentlichen wir die aktuelle Entwicklung der «Likes» und «Followers» der nationalen Parteiaccounts auf Twitter und Facebook. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So bedeutet eine hohe Anzahl von «Likes» zum Beispiel noch nicht, dass eine Partei besonders gut über den eigenen Tellerrand hinaus «mobilisiert». Es kann auch sein, dass das Netzwerk einer Partei einfach grösser ist als das einer anderen Partei. Dennoch weisen die absoluten Zahlen zumindest auf das Potential von Viralität hin.

[1] Foto: Jason Howie|Flickr

[2] Die vollständige Analyse von Bruno Wüest finden Sie auf seiner Homepage.

[3] Wer ist zentral und was ist Zentralität überhaupt?  Zentralität lässt sich auf viele Arten feststellen. Die folgende Grafik stützt sich dafür auf die Eigenwert- und Betweenness-Zentralität. Twitter-Akteure mit einem hohen Eigenwert haben viele Friends und Follower, und deren Friends und Follower haben wiederum viele Friends und Follower und so weiter  und so fort – bis zum Rand des Netzwerkes. Die Betweenness-Zentralität hingegen entspricht der Anzahl kürzester Verbindungen zwischen allen Usern, die über den betrachteten Akteur führen. Ein Akteur mit einer hohen Betweenness-Zentralität verbindet viele andere Nutzer miteinander auf direktem Weg. Weil die Eigenwert-Zentralität auf die Accounts fokussiert und die Betweenness-Zentralität die Verbindungen berücksichtigt, ergänzen sich die beiden Analysen gut zu einem Gesamtbild. Zusätzlich ist die Anzahl Followers in der Grösse der Punkte dargestellt. Alle Angaben sind mit einer Aktivierung durch den Mauszeiger ersichtlich.

[4] Den Beitrag zur Schweizer Tweetokratie finden Sie hier.

[5] Die Beobachtungsperiode startet am 1.9.2016 und endet am 31.9.2016.

Wie historisch war die Abstimmungsniederlage der GLP?

Von einer historischen Schlappe für die GLP war am Abstimmungssonntag die Rede. Und die Frage, welche die politische Schweiz am stärksten herumtrieb, war diejenige, ob sich das Abstimmungsdebakel auf die Wahlchancen der GLP auswirken könnte. Wenn man das Abstimmungsresultat im Verhältnis zur Wählerstärke der tragenden Partei setzt, war das gestrige Resultat jedoch keine historische Niederlage.

92 Prozent der Teilnehmenden lehnten die erste GLP-Initiative der Geschichte ab. Um auf einen ähnlich hohen Nein-Stimmenanteil zu einer Initiative zu stossen, muss man in den Annalen der Schweizer Abstimmungsdemokratie lange zurückblättern: 1923 wurde die Schutzhaft-Initiative mit 89 Prozent verworfen. Historisch ist die GLP-Abstimmungsschlappe demnach schon. Aber die GLP ist – verglichen mit den «grossen» Bundesratsparteien – auch eine Kleinpartei mit einem nationalen Wähleranteil von 5.4 Prozent (Wahlen 2011). Wenn man die Wahlchancen im Blick hat, so sollte man sich nicht alleine am Abstimmungsresultat orientieren, sondern auch daran, wie gross die Wählerschaft der Urheberpartei ist. Bildet nun die aktuelle Wählerstärke den Referenzpunkt, so vermochte die GLP am Abstimmungssonntag jenen Wert um immerhin 2.6 Prozent zu übertreffen. Das ist wenig. Und damit liegt die GLP-Initiative natürlich weit entfernt von den Spitzenwerten, die wir unten ausgewiesen haben. Aber sie ist nicht das Schlusslicht einer Rangliste der «Over-» und «Underachiever» unter den Volksbegehren. Die nachfolgende Grafik zeigt, wie die Initiativen der laufenden Legislaturperiode gemessen an der Wählerstärke ihrer Urheberpartei abgeschnitten haben.

Als Urheber einer Partei wurde entweder diejenige Partei identifiziert, welche das Begehren einreichte oder mit der Vorlage stark assoziiert wurde. Zudem haben wir – um einen FDP-Fall ausweisen zu können – die Verbandsbeschwerderechtinitiative der vergangenen Legislaturperiode hinzugezogen.

Am besten schnitt die SVP bei der Masseneinwanderungsinitiative ab. Sie vermochte weit über ihre Stammwählerschaft zu punkten und übertraf ihren Wähleranteil um mehr als 20 Prozent. Die SP folgt mit ihrer Initiative zur Einheitskrankenkasse auf Platz Zwei. Zwar scheiterte das Volksbegehren, aber es stimmten anteilsmässig mehr als doppelt so viele Stimmbürger für das Begehren als die SP Wähler zählt. Doch die beiden Flügelparteien sorgten auch für die ernüchterndsten Ergebnisse in der laufenden Legislaturperiode. Die Volkswahl des Bundesrates und die Staatsvertragsinitiative der SVP bzw. AUNS erzielten geringere Zustimmungsanteile als die SVP Wähler zählt. Der «Saldo» beträgt -2.9 beziehungsweise -1.9 Prozent. Die SP erlitt mit der Mindestlohninitiative eine ähnliche Schlappe: Das Begehren konnte gerade mal 5 Prozent mehr Stimmen auf sich vereinigen als die SP bei den Wahlen 2011 erzielte.

Die Abbildung ermöglicht auch einen Vergleich zwischen der SVP- und CVP-Familieninitiative. Die erstere wurde bloss von der SVP (und der EVP) zur Annahme empfohlen, während die letztere von der nationalen CVP- und SVP-Delegiertenversammlung (und anderen Kleinparteien) eine Ja-Parole erhielt. Würden sich die Parteianhängerschaften an die Empfehlung ihrer Partei halten, so hätte die CVP-Familieninitiative nicht nur in absoluten Werten, sondern auch relativ zu ihrer Wählerstärke klar besser abschneiden müssen als das SVP-Begehren von 2013. Das war aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Die SVP-Familieninitiative erzielte bei der CVP (oder den anderen Parteien bzw. Parteiungebundenen) offenbar mehr Stimmenanteile als die CVP-Initiative bei der SVP-Anhängerschaft – und dies, obwohl ihr die Parolenunterstützung der CVP seinerzeit fehlte.

Die Frage, welche Auswirkungen ein Abstimmungsergebnis auf die Wahlchancen einer Partei hat, ist mit dem vorliegenden Vergleich natürlich nicht zu beantworten. Aber die Beispiele der SVP und SP, die in der laufenden Legislaturperiode sowohl hervorragende wie auch schlechte Ergebnisse bei Abstimmungen erzielten, zeigen, dass solche Schlüsse auf der Basis von Abstimmungsergebnissen keineswegs so einfach zu ziehen sind. Denn: Aufgrund welcher Abstimmung soll man im Falle dieser beiden Parteien auf die entsprechenden Wahlchancen schliessen? Ist beispielsweise bei der SP das Ergebnis bei der Einheitskasse oder bei der Mindestlohninitiative das entsprechenden «Menetekel»? Am wahrscheinlichsten ist, dass sich Abstimmungsergebnisse generell schlecht dazu eignen, auf die Wahlchancen der tragenden Partei zu schliessen. Abstimmungen und Wahlen sind eben zwei verschiedene Paar Schuhe.

  Hier finden Sie die Informationen zur Eidgenössische Volksinitiative «Schutzhaft».
Hier finden Sie die Informationen zur Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates». Hier finden Sie die Informationen zur Volksinitiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)».

Die Abstimmungen auf Twitter

Wie die Abstimmungszahlen heute verdeutlichen, waren die Familieninitiative und die Energiesteuerinitiative nicht wirklich umstritten. Auch auf Twitter fanden die beiden Vorlagen keine grosse Resonanz. Die erste Grafik zeigt, dass in den letzten Tagen vor der Abstimmung sehr wenig zu den geläufigsten Hashtags (#Familieninitiative und #InitiativeFamille bzw. #viESM und #TEcontreTV) getweetet wurde. Und auf die Abstimmung hin nahmen die Tweets sogar ab. Wie tief die Zahlen vor der Abstimmung sind, verdeutlicht der Vergleich mit dem Abstimmungstag, an dem die Twitternutzung in die Höhe schnellte (die Zahlen in der Grafik zeigen die Anzahl Tweets bis ca. 14:30). Vor allem die ungewöhnlich hohe Ablehnung der GLP-Initiative scheint heute zu Reaktionen bei den Twitter-Nutzern geführt zu haben. Wie bei anderen Initiativen (z.B. bei der Masseinwanderungsinitiative oder beim Gripen) scheint es so, als ob Twitter auch bei den aktuellen Vorlagen nicht wirklich als Mittel im Abstimmungskampf genutzt wurde, sondern nun mehr für Reaktionen auf die Ergebnisse dient.

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Anzahl Tweets pro Tag mit den geläufigsten Hashtags zur Familien- bzw. Energiesteuerinitiative. Eigene Darstellung.

Diese Annahme wird auch dadurch gestützt, dass die Initianten selbst nicht sehr aktiv waren. Dies zeigt die zweite Grafik. Von den Tweets zur Familieninitiative stammen nur rund ein Drittel von CVP-Politikern. Die Initiative wurde auf Twitter also nicht einmal im eigenen Partei-Lager gross unterstützt. Mitglieder der GLP sorgten immerhin für etwa 40 Prozent der Tweets zur Energiesteuerinitiative. Politiker aus der grünen Partei, welche die Initiative immerhin offiziell unterstützte, waren auf Twitter praktisch abwesend.

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Wie viele Tweets zu den Initiativen stammen aus dem Lager der Initianten? Eigene Darstellung.

Natürlich wurden mit den oben gewählten Hashtags nicht alle Tweets zu den Abstimmungen erfasst. Einige Twitterer nutzten sicher auch andere bzw. keine Hashtags. Die Nutzung der allgemeinen und bereits länger bestehenden Hashtags #abst15 und #CHvote liefert allerdings ein sehr ähnliches Bild.

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Anzahl Tweets pro Tag zu den allgemeinen Abstimmungs-Hashtags. Eigene Darstellung.