Die Initiative gegen die Heiratsstrafe verpasst knapp das Volksmehr. Bezirke mit Merkmalen der Urbanität verwarfen die Vorlage eher und das Stimmverhalten gleicht Vorlagen, bei denen es um traditionelle Familienbilder und Lebensentwürfe ging.
Bereits 2015 wollte die CVP mit ihrer Volksinitiative «Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» mithilfe steuerbefreiter Kinder- und Ausbildungszulagen der postulierten reduzierten Kaufkraft von Familien entgegenwirken. Damals führten die Gegner der Initiative von links bis rechts die zu erwartenden Steuerausfälle als Gegenargument ins Feld. Das Parlament empfahlen die Ablehnung der Volksinitiative. Tatsächlich korrelieren die Ja-Stimmenanteile der beiden Vorlagen in den Bezirken (r ≈ 0.61).
Ein Jahr später wird am 28. Februar 2016 auch die Initiative «gegen die Heiratsstrafe» der CVP vom Volk (nicht aber von den Ständen) abgelehnt – wenn auch äusserst knapp. Auch diese Initiative enthält steuerliche Aspekte, nämlich dass die Ehe – vor allem bei den Steuern und den Sozialversicherungen – gegenüber anderen Lebensformen nicht benachteiligt wird. Das Ehepaar, nach angestrebter Definition nur möglich für heterosexuelle Paare, hätte in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden sollen.
weniger Zustimmung in urbanen Räumen
Eine erste Analyse zeigt, dass auf der Bezirksebene hauptsächlich Urbanitätsmerkmale (wie zum Beispiel die Bevölkerungsdichte oder Anzahl Beschäftigter im 3. Sektor) mit einem Nein zu dieser Initiative korrelieren. Gleichzeitig wird deutlich, dass Bezirke, deren Haushaltstruktur auf Familienhaushalte (z.B. Vier-Personen-Haushalte) hinweist, eher Ja sagten. Hier zeigt sich also eine Divergenz zwischen urbanen Räumen (nicht gleichzustellen mit Städten) und sub- und periurbanen sowie ländlichen Gebieten. Es bietet sich an, hier auf traditionelle Familienwerte als ausschlaggebende Heuristik für den Stimmentscheid zurückzugreifen, da entlang einer kulturellen Dimension gerade diese Gebiete Unterschiede aufweisen. Dies deckt sich auch mit früheren Vorlagen, die thematisch mit der Initiative gegen die Heiratsstrafe verwandt sind.
Zusammenhang mit anderen Familieninitiativen
Ebenfalls eine nennenswerte Korrelation des Stimmverhaltens in den Bezirken findet sich mit der «Familieninitiative: Steuerabzüge auch für Eltern, die ihre Kinder selber betreuen» (r ≈ 0.64). Diese Volksinitiative der SVP forderte eine steuerliche Entlastung für Familien, jedoch nicht unabhängig von deren Lebens- oder Erwerbsmodell: Die Gegnerschaft der Initiative argumentierte sodann, dass nur traditionell organisierte Familien durch den Eigenbetreuungsabzug steuerlich begünstig würden. Die Annahme liegt nahe, dass dieses Familienverständnis stark jenem der gegenwärtigen Vorlage entspricht, welche die Ehe als Bündnis zwischen Mann und Frau definieren wollte. Dieser gesellschaftspolitische Aspekt dominierte 2012 die Debatte und war insbesondere im Nein-Lager für den Stimmentscheid ausschlaggebend (Das wichtigste Ablehnungsmotiv war gemäss den Nachbefragungen jedoch die Angst vor Steuerausfällen). Ein eher traditionelles Familienverständnis, das sich nun im Februar 2016 auch in der Initiative gegen die Heiratsstrafe niederschlug. Ob Betroffenheit oder die Definition heuer stärker gewichtet wurde, ist offen. Erste Anzeichen, dass sich ein ähnliches Stimmverhalten zwischen diesen Vorlagen finden lässt, sind aber vorhanden.