Neben dem Ergebnis der gestrigen Wahlen gab wie häufig auch die Wahlbeteiligung zu reden. Mit 48.4 Prozent haben weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten tatsächlich gewählt. Im Kanton Zürich war die Beteiligung mit 47.2 Prozent sogar noch leicht tiefer, obwohl sie im Vergleich zu 2011 um 0.4 Prozentpunkte angestiegen ist. Was bedeutet die Wahlbeteiligung aber für die einzelnen Parteien? Wir haben dazu die Daten auf Gemeindeebene für den Kanton Zürich untersucht.
Das Ziel eines Wahlkampfes ist grundsätzlich immer, möglichst viele Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Dies kann eine Partei einerseits dadurch erreichen, dass sie Wähler von anderen Parteien abwirbt. Andererseits geht es darum, möglichst viele potenzielle Parteianhänger zu mobilisieren – also latente Sympathisanten zu tatsächlichen Wählern zu machen. Da es eher schwierig ist, die Parteipräferenz eines Wählers zu verändern, ist die Hauptaufgabe von politischen Kampagnen die latenten Präferenzen zu aktivieren und in erster Linie die bestehenden Überzeugungen zu bestärken – sprich die Mobilisierung. [1]
Umfrage SR: Was denken Sie, wer gewinnt den zweiten Wahlgang in Zürich?
- Bastien Girod (60%)
- Hans-Ueli Vogt (4%)
- Ruedi Noser (36%)

Die erste Grafik vergleicht die Differenz der Stimmenanteile aller Parteien zwischen 2015 und 2011 mit der Differenz in der Wahlbeteiligung pro Gemeinde. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die FDP einen positiven Trend aufweist. Bei genauerem Hinsehen trifft das auch für die CVP und die BDP zu. Was bedeutet das? Das heisst, dass diese Parteien in Gemeinden tendenziell erfolgreicher waren, in denen der Wähleranteil 2015 höher war als 2011. Mit anderen Worten scheinen diese Parteien, allen voran die FDP, ihre Anhänger möglicherweise erfolgreicher mobilisiert zu haben als noch bei den letzten Wahlen.
Polparteien weisen den gleichen Trend auf
Bei den beiden wählerstärksten Parteien im Kanton, der SVP und der SP, sieht man hingegen eine umgekehrte Tendenz. Beide Polparteien holten tendenziell in jenen Gemeinden mehr Stimmenanteile, in denen die Wahlbeteiligung 2015 tiefer war im Vergleich zu 2011.
Erst mit den Daten der Nachwahlbefragungen (Selects) [2] wird sich sagen lassen, welche Partei ihre Anhänger wie stark mobilisieren konnte. Der erste Augenschein für den Kanton Zürich deutet jedoch an, dass hier tendenziell die FDP erfolgreich mobilisierte, während die SVP und die SP eher von der erneut allgemein tiefen Stimmbeteiligung profitiert haben. Was nicht zwingend heisst, dass die beiden Polparteien ihre Wähler besonders erfolgreich mobilisiert haben, aber dass es anderen Parteien eben möglicherweise weniger gut gelang als noch bei den letzten Wahlen.
Die Gemeinden im Vergleich
Die untenstehende Grafik zeigt denselben Vergleich der Differenz im Wähleranteil zur Differenz in der Wahlbeteiligung getrennt für jede Partei in allen Zürcher Gemeinden. Dies veranschaulicht einige zusätzliche interessante Entwicklungen. So wird zum Beispiel deutlich, dass die GLP in allen Zürcher Gemeinden ausser in Marthalen an Wähleranteilen verloren hat im Vergleich zu 2011. Bei den Grünen und der BDP giibt es ein paar positive Bilanzen mehr, aber auch sie mussten in den meisten Gemeinden Verluste einfahren. Die FDP hingegen legte bis auf ein paar Ausnahmen in fast allen Gemeinden an Wählern zu. Interessanterweise ist die Streuung bei der SVP am grössten: Sie reicht von einem Minus von sieben Prozentpunkten in Hüttikon bis zu einem Zuwachs um fast neun Prozentpunkte in Hüntwangen. Zudem wird ersichtlich, in welchen Gemeinden die Wahlbeteiligung gestiegen und wo sie gesunken ist im Vergleich zu 2011. Aber klicken Sie doch selbst:
[1] vgl. Gerber, M. & Bühlmann, M. (2014). Do Ads Add Up? The Impact of Parties’ Advertisements on the Stability of Vote Choice at the Swiss National Elections 2011. In: Swiss Political Science Review 20(4): 632–650.
[2] hier finden sie mehr Informationen zu Selects: http://forscenter.ch/de/our-surveys/selects/teilnehmerinformationen/
Siehe auch:
Lazarsfeld, P., B. Berelson & H. Gaudet (1968). The People’s Choice: How the Voter Makes Up His Mind in a Presidential Campaign, 3rd edn. New York: Columbia University Press.