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Wird die Institution «Bundesrat» als vertrauenswürdig wahrgenommen, hat dies Auswirkungen auf die Erfolgsquote von Volksinitiativen. [1]

Der Bundesrat und die Erfolgsquote von Volksinitiativen

Das Schweizer Stimmvolk folgt der Empfehlung des Bundesrates nicht und nimmt Volksinitiativen mit weitreichenden aussenpolitischen Folgen an. Im Gastbeitrag von Mirjam Stutz und Christoph Rüthemann wird die Rolle des Bundesrates bei der Entscheidungsfindung unter die Lupe genommen und erläutert, was das mit Informiertheit zu tun hat.

Die zunehmende Erfolgsquote von Volksinitiativen ist ein Thema, das vermehrt in den Schweizer Medien diskutiert wird.[2] Interessant ist dabei die Beobachtung, dass in jüngster Zeit auch einige Initiativen mit weitreichenden aussenpolitischen Folgen entgegen der Empfehlung des Bundesrats angenommen wurden (z.B. Minarett-Initiative, Masseneinwanderungs-Initiative).

Vertrauen ersetzt Informiertheit

Die Schweizer Stimmenden nehmen den Bundesrat mehrheitlich als vertrauenswürdig wahr und verwenden dessen Stimmempfehlung dementsprechend oft als Hilfestellung an der Urne. Je mehr dem Urheber einer Empfehlung vertraut wird, desto weniger relevant werden die Argumente beider Seiten.

Bei Volksinitiativen empfiehlt der Bundesrat generell ein «Nein». Deshalb erwarten wir, dass das Stimmvolk bei hohem Regierungsvertrauen eine Initiative eher ablehnt als bei tiefem Vertrauen. Um dies zu untersuchen, haben wir ein rollendes Mittel berechnet.

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Rollendes 10-Vorlagen Mittel für Volksinitiativen und Vertrauen in den Bundesrat.

Die blaue Linie zeigt das rollende Mittel des Ja-Stimmenanteils über die letzten zehn Volksinitiativen zwischen 1990 bis 2015.[3] Die rote Linie stellt die Vertrauensrate der Stimmbevölkerung dar. Dabei zeigt sich, dass die Annahmerate von Volksinitiativen und das Vertrauen in den Bundesrat zusammenspielen. Die beiden Kurven verhalten sich spiegelbildlich zueinander: Wie angenommen, sinkt bei steigendem Vertrauen in den Bundesrat die Annahmerate. Analog steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Volksinitiativen angenommen werden, wenn das Vertrauen in den Bundesrat abnimmt.

Mehrheit der Initiativen wird nach wie vor abgelehnt

Die horizontale Linie zeigt die Grenze, ab wann eine Initiative angenommen wurde. Im rollenden Mittel von jeweils zehn Initiativen steigt deshalb die Annahmerate in den letzten zwanzig Jahren nie über den kritischen Wert von 50% und dennoch gibt es einzelne Initiativen, die angenommen wurden. In jüngster Zeit werden also trotz steigendem Vertrauen in den Bundesrat vermehrt Initiativen angenommen. Dennoch gilt weiterhin, dass die grosse Mehrheit der Initiativen abgelehnt wird.

Hängt der Erfolg von der Informiertheit ab?

Tatsächlich spielt das vorlagenspezifische Wissen eine Rolle, wobei man stark zwischen Referenden und Initiativen unterscheiden muss. Bei Initiativen führt eine tiefe Informiertheit zur Ablehnung der Vorlage. Für Referenden verhält es sich jedoch umgekehrt. Die Stimmbürger tendieren dazu, den Referendumsvorlagen stärker zuzustimmen, wenn sie über weniger Informationen verfügen.

Das tiefe Informiertheitsniveau bei obligatorischen Referenden zeigt, dass die Stimmenden ihr Urteil stärker auf die Empfehlungen der politischen Eliten stützen. Nicht zuletzt könnte daraus auch die hohe Erfolgsquote resultieren, weil sich die Mehrheit von Regierung und Parlament immer für die Vorlagen einsetzt. Trotz einer ähnlich hohen Informiertheit wie bei den fakultativen Referenden, scheitern die Volksinitiativen häufiger an der Urne. Das lässt vermuten, dass der Status Quo bei Volksinitiativen bevorzugt wird und die Stimmbürger den Anliegen der Initiativkomitees grundsätzlich skeptischer gegenüberstehen.

Der Bundesrat bleibt wichtig

Der Bundesrat spielt bei Schweizer Sachabstimmungen nach wie vor eine grosse Rolle. Mit seinen Empfehlungen kann er durchaus die Erfolgswahrscheinlichkeit von Vorlagen beeinflussen, besonders bei der Stimmbürgerschaft mit tieferem Informiertheitsgrad und höherem Vertrauen in die Regierung. Es zeigt sich jedoch auch, dass dieser Zusammenhang vor allem bei Referenden stark ausgeprägt ist. Initiativen werden besonders häufig befürwortet, wenn das Vertrauen in den Bundesrat gering ist, die Stimmbürger aber gut über die Vorlage informiert sind.

Von Mirjam Stutz und Christoph Rüthemann.

Die beiden Autoren absolvieren den Master-Studiengang am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich.

[1] Foto: Bundeshaus Flickr|Guido Gloor Modjib

[2] Dazu finden Sie hier NZZ-Artikel.

[3] Zur Beschreibung von rollenden Mitteln lesen Sie diesen Beitrag.