
Am nächsten Abstimmungssonntag dreht sich, zumindest den Vorlagebezeichnungen nach zu urteilen, alles ums Geld. Wie intensiv wird zur Vollgeldinitiative und zum Geldspielgesetz getwittert? Was zeigt der Vergleich zur NoBillag-Initiative? Unsere neue “#AbsTweets”- App dokumentiert den Abstimmungskampf auf Twitter.
NoBillag war – auf Twitter – ein perfekter Sturm. Im Abstimmungskampf setzte sich ein selbstverstärkender Prozess in Gange. Über was in den Medien berichtet wurde, wurde fleissig getwittert und über was getwittert wurde, wurde oft geschrieben. Begünstigt hat dies auch die direkte Betroffenheit der Medienschaffenden, eine auf Twitter zahlreich vertretene Gilde.
Weniger Aktivität zu Geldspielgesetz und Vollgeldinitiative
Bei den im Juni zur Abstimmung kommenden Vorlagen verhält es sich anders. Eine netz- sowie eine geldpolitische Frage kommen an die Urne. Die Debatten drehen sich um etwas weniger greifbare, abstraktere Themen: Netzneutralität und Geldschöpfung. Zu beiden Themen wird seit geraumer Zeit gezwitschert. Ein Schlagabtausch mit den Dimensionen der Debatte um NoBillag ist bislang jedoch nicht zu beobachten. Der einzelne Hashtag #NoBillag wurde ein Monat vor der Abstimmung – an einem einzelnen Tag – 855 mal abgesetzt. Die wichtigsten Hashtags zum Geldspielgesetz erreichten bei derselben Distanz zur Abstimmung (am 10.5.2018) alle zusammen nur einen Bruchteil dessen, nämlich gerade mal 75. Nur an vereinzelten Tagen wurden sie über 100 mal genutzt. Ähnlich verhält es sich bei der Vollgeldinitiative (51 Tweets).
Zurück zum courant normal?
Das geringere Volumen an Tweets ist auch darauf zurückzuführen, dass im Vergleich zum Twitter-Erdbeben NoBillag ein deutlich kleinerer Kreis an Nutzern sich an den digitalen Wortgefechten zu den Abstimmungen beteiligt. Stellt dies eine Rückkehr zum courant normal – also zu Twitter-Abstimmungskämpfen mit weniger zahlreicher Teilhabe und weniger Ausstrahlung über die Grenzen von Twitter selbst – dar? Noch wäre es verfrüht, dies abschliessend zu bewerten. Die Debatten rund um die kommenden Abstimmungen werden zudem augenscheinlich einseitiger geführt als NoBillag. Beim Geldspielgesetz scheinen die Gegner des Gesetzes mehr zu zwitschern als die Befürworter. Bei der Vollgeldinitiative waren anfänglich in erster Linie die Befüworter sichtbar. Seit einiger Zeit sind nun aber auch die Initiativgegner – u.a. die Schweizerische Bankiervereinigung SBA – und andere kritische Stimmen wahrnehmbar.
Abstweets – der neue Twitter Seismograph für Abstimmungskämpfe
Unsere neue App erlaubt es laufend dran zu bleiben und den Überblick über das Abstimmungs-Gezwitscher zu behalten. Sie soll während Abstimmungenkämpfen als Twitter-Seismograph dienen. Die Version 1.0 ist ab heute live und zeigt, wie viel Tweets mit den wichtigsten Hashtags zu den jeweiligen Vorlagen abgesetzt werden, welche User am aktivsten sind und wie viele Retweets sie aufweisen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die kommenden Abstimmungen vom Juni 2018 enthalten. Zur besseren Einordnung werden sie in Relation mit dem #NoBillag bei gleichem zeitlichen Abstand zur Abstimmung gesetzt. Über interessante, nennenswerte Entwicklungen während des Abstimmungskampfes werden wir in Begleitung zur App auch auf dem Blog schreiben.
Neben wiederkehrendem Einsatz der App vor Abstimmungsterminen soll die App auch Twitter-Aktivitäten rund um weitere bedeutende Politdebatten abbilden, welche noch vor Zustandekommen eines Referendums oder einer Initiative stattfinden, vor Wahlen oder gar solche die nicht direkt im Zusammenhang mit Volksbstimmungen stehen. Das sich noch in der Phase der Unterschriftensammlung befindende und vermeintlich erste «Twitter-Referendum» der Schweiz (gegen die Überwachung von Versicherten) ist ebenfalls bereits enthalten.
Transparente Methodik & Datengrundlage
Angaben dazu, wie wir die Daten sammeln, sind in der App ersichtlich. Bei der Beobachtung von Twitter bestehen gewisse Unschärfen. Zentral ist in dieser Hinsicht die Frage danach, was genau beobachtet und berücksichtigt werden soll. Die Population von Interesse zu definieren, zu welcher Daten gesammelt werden sollen und dies in der Erhebung der Daten umzusetzen ist nicht trivial. Es gibt kein Wunderrezept, welches gewährleisten würde, dass jeder Tweet, der im mehr oder weniger direkten Zusammenhang mit einer Abstimmung steht aufgestöbert werden kann. Daher erachten wir Transparenz hinsichtlich Datengrundlage als umso wichtiger. Die Daten welche der App zugrundeliegen werden auf täglicher Basis automatisch aktualisiert. Die Rohdaten stellen wir als Download zur Verfügung. Der Code zur App liegt auf Github und ist somit öffentlich einsehbar. Weitere Funktionalitäten und ausgefeiltere Metriken & Darstellungen sind in V 2.0 der App geplant.
Thomas Lo Russo und Thomas Wili